Zehnmal schneller zum Corona-Testergebnis

Mit dem in der neuen Studie genutzten Thermo­cycler sind pro Stunde rund 570 Auswer­tungen möglich. Foto: Univer­sität Bielefeld/M.-D. Müller

Zehnmal schneller zum Corona-Testergebnis

Einen Test auf SARS-CoV‑2 durch­zu­führen und auszu­werten dauert aktuell mehr als zwei Stunden – und so kann ein Labor pro Tag nur eine sehr begrenzte Zahl von Menschen testen. Zellbio­lo­gInnen der Univer­sität Bielefeld haben nun mit mehreren Koope­ra­ti­ons­partnern in einer Studie ein Verfahren entwi­ckelt, das rund zehnmal schneller ein Ergebnis liefert. »Der Test dauert nur rund 16 Minuten«, sagt Professor Dr. Christian Kaltschmidt vom Lehrstuhl für Zellbio­logie der Univer­sität Bielefeld. »Die Methode ist zudem günstiger als die herkömm­lichen Tests.«

Weltweit sind inzwi­schen mehr als zehn Millionen Infek­tionen mit dem Corona­virus bestätigt. Einen wirksamen Impfstoff oder eine Therapie gegen SARS-CoV‑2 gibt es bislang nicht. Hinzu kommt: Nicht jede infizierte Person entwi­ckelt auch Symptome. Die wirksamste Methode, um die Verbreitung einzu­dämmen, sind im Moment deshalb Tests: Wer sich infiziert hat, wird isoliert und verbreitet das Virus nicht.

Das gängigste Verfahren, um zu testen, ob sich jemand mit SARS-CoV‑2 infiziert hat, sind sogenannte PCR-Tests. Sie nutzen das genetische Material des Virus als Grundlage. Das haben auch die Biele­felder Wissen­schaft­le­rInnen in ihrer Studie gemacht. PCR-Tests laufen immer nach einem ähnlichen Schema ab. Zunächst wird geneti­sches Material einer Testperson benötigt. Dies wird in der Regel durch einen Abstrich im Mund‑, Nasen- oder Rachenraum gewonnen. »Wenn ein Mensch sich mit SARS-CoV‑2 angesteckt hat, dann ist in der Probe auch geneti­sches Material des Virus enthalten, das als sogenannte RNA vorliegt«, sagt Kaltschmidt.

Tests spielen eine wichtige Rolle, um die Verbreitung von SARS-CoV‑2 zu kontrol­lieren. Sie dauern aktuell aller­dings relativ lange. Prof. Dr. Christian Kaltschmidt hat mit anderen Forschenden ein Verfahren getestet, das deutlich schneller funktio­niert. Foto: HDZ NRW/Marcel Mompour

Die RNA-Moleküle werden in einem chemi­schen Verfahren isoliert. Aller­dings ist danach zu wenig RNA enthalten, als dass ein Test sie sofort nachweisen könnte. Deshalb muss sie verviel­fältigt werden.

Methode spart nicht nur Zeit, sondern auch Aufwand

Das geschieht bei einer sogenannten Polymerase-Ketten­re­aktion, die dem PCR-Verfahren seinen Namen gegeben hat (Polymerase Chain-Reaction). Sie läuft in einem Gerät ab, das sich Thermo­cycler nennt. Es fährt die Tempe­ratur nach einem vorher festge­legten Programm hoch und wieder herunter. In Kombi­nation mit bestimmten Zusatz­stoffen, einem Enzym mit Kopier­funktion und Stabi­lität bei hoher Tempe­ratur verviel­fältigt sich dadurch das genetische Material, bis so viel vorhanden ist, dass sich damit SARS-CoV‑2 nachweisen lässt – sofern jemand infiziert ist.

Die Biele­felder Forschenden haben bei ihrem Verfahren einen spezi­ellen Thermo­cycler einge­setzt – den NEXTGENPCR. Durch das besondere Design, das mehrere Tempe­ra­tur­zonen umfasst, laufen die Reaktionen in dem Gerät besonders effektiv und vollau­to­ma­tisch ab. »Beim Vorgehen haben wir uns am sogenannten Drosten-Protokoll der Berliner Charité und am Protokoll des Centers of Disease Control and Prevention in Atlanta orien­tiert«, sagt Kaltschmidt. Das sind Standards für Tests auf SARS-CoV‑2. Die Forschenden konnten mir ihrer Methode die Ergeb­nisse herkömm­licher PCR-Tests wieder­holen – nur in deutlich kürzerer Zeit und mit weniger Aufwand.

Spezi­al­gerät kann stündlich 570 Tests analysieren

Entwi­ckelt hat den Thermo­cycler das nieder­län­dische Unter­nehmen Molecular Biology Systems B.V. Für die Tests auf das Corona­virus schrieben die Entwickler eine Software, die sowohl die benötigte Zeit als auch die Arbeits­schritte verringert. »Wir haben dazu sehr viele positive Rückmel­dungen erhalten«, sagt Gert de Vos, Gründer und Geschäfts­führer von Molecular Biology Systems. Das Gerät kann mehrere Proben parallel analy­sieren – damit sind mit einem einzigen Thermo­cycler pro Stunde rund 570 Auswer­tungen möglich. Molecular Biology Systems arbeitet inzwi­schen mit Regie­rungen und privaten Laboren in den USA, Europa, dem mittleren Osten und Afrika zusammen.

Kaltschmidt sieht viele Vorteile in dem neuen Verfahren. So könnte ein solcher Test vor allem dort zum Einsatz kommen, wo schnelle Ergeb­nisse gefragt sind. »Wenn beispiels­weise Kreuz­fahrt­schiffe ihren Betrieb wieder aufnehmen, könnten sie in kurzer Zeit jede Person testen, bevor sie an Bord geht.«

Origi­nal­pu­bli­kation: Ehsan Asghari, Anna Höving, Paula van Heijningen, Annika Kiel, Angela Kralemann-Köhler, Melanie Lütke­meyer, Jonathan Storm, Tanja Vollmer, Cornelius Knabbe, Barbara Kaltschmidt, Gert de Vos, Christian Kaltschmidt: Ultra-fast one-step RT-PCR protocol for the detection of SARS-CoV‑2, https://doi.org/10.1101/2020.06.25.20137398, veröf­fent­licht am 26. Juni 2020.

Textquelle: Jörg Heeren, Univer­sität Bielefeld

Bildquelle: Mit dem in der neuen Studie genutzten Thermo­cycler sind pro Stunde rund 570 Auswer­tungen möglich. Foto: Univer­sität Bielefeld/M.-D. Müller

Bildquelle: Tests spielen eine wichtige Rolle, um die Verbreitung von SARS-CoV‑2 zu kontrol­lieren. Sie dauern aktuell aller­dings relativ lange. Prof. Dr. Christian Kaltschmidt hat mit anderen Forschenden ein Verfahren getestet, das deutlich schneller funktio­niert. Foto: HDZ NRW/Marcel Mompour