Wundheilung detail­liert aufgeschlüsselt

Wundheilung detail­liert aufgeschlüsselt

ETH-Forschende haben die Mecha­nismen genauer aufge­schlüsselt, welche die Wundheilung und die Narben­bildung steuern. Dazu entwi­ckelten Biolo­ginnen und Ingenieure eine neue Methode, mit der sich erstmals die biome­cha­ni­schen Eigen­schaften des heilenden Gewebes in vivo messen lassen.

Wer sich verletzt, hofft auf eine rasche Heilung. Doch Wunden, die zu schnell heilen, heilen schlecht: Wenn die Konzen­tration bestimmter Wachs­tums­fak­toren zu stark ansteigt und der Heilungs­prozess über das Ziel hinaus­schießt, bilden sich wulstige (im Fachjargon: hyper­trophe) Narben, und sogar die umlie­gende Haut verliert einen Teil ihrer Elasti­zität. Das schliessen die beiden Forschungs­gruppen von Sabine Werner am Institut für Molekulare Gesund­heits­wis­sen­schaften und von Edoardo Mazza am Institut für Mecha­nische Systeme aus ihren gemein­samen Untersuchungen.

Vielschichtige Mecha­nismen

Wie die Forschenden soeben in der Fachzeit­schrift Nature Commu­ni­ca­tions berichten, haben sie die vielschich­tigen Mecha­nismen genauer aufge­schlüsselt, die den Prozess der Wundheilung (und der Narben­bildung) steuern. Im Fokus der aktuellen Arbeiten, die durch das Flagship-Projekt Skinte­grity der Hochschul­me­dizin Zürich ermög­licht wurden, steht ein Signal­mo­lekül: Activin. Es spielt sowohl bei der Wundheilung wie auch bei Krebs eine wichtige Rolle. «Wir haben gezeigt, wie tiefgreifend sich ein einzelnes Signal­mo­lekül auf das komplexe Zusam­men­spiel von Zellen und ihrer Matrix auswirkt», sagt Werner.

Gibt es mehr Activin in der Wunde, entwi­ckeln sich mehr Binde­ge­webs­zellen, und auch die Zusam­men­setzung der sogenannten extra­zel­lu­lären Matrix verändert sich. In diesem Gerüst, das von den Zellen produ­ziert wird und sie umschließt, sammelt sich bei erhöhten Activin-Konzen­tra­tionen mehr Kollagen an und die Kolla­gen­fasern sind unter­ein­ander auch stärker vernetzt. So heilt die Wunde zwar rascher, aber das verletzte Gewebe versteift und verhärtet sich.

Den Heilungs­verlauf beeinflussen

Während ihrer diszi­pli­nen­über­grei­fenden Zusam­men­arbeit haben die Forschenden viel vonein­ander gelernt, heben die beiden Erstau­toren, der Biowis­sen­schaftler Mateusz Wietecha und der Ingenieur Marco Pensalfini hervor. Während die Ingenieure ihren Kennt­nis­ho­rizont mit bioche­mi­schen und bioin­for­ma­ti­schen Analysen des moleku­laren Geschehens in der Wunde erwei­terten, betraten die Biologen bei der Entwicklung der Messver­fahren Neuland. Heraus­ge­kommen ist eine Methode, mit der sich die biome­cha­ni­schen Eigen­schaften eines heilenden Gewebes erstmals in vivo messen lassen.

Künftig ließe sich damit der Heilungs­verlauf einer Wunde frühzeitig diagnos­ti­zieren – und vielleicht sogar beein­flussen, meint Werner. Je nach Art und Ort der Verletzung sähe die Beein­flussung verschieden aus. Wenn eine Wunde einen chroni­schen Verlauf zu nehmen drohe, wäre ein Eingriff denkbar, der Activin oder von Activin beein­flusste Matrix­pro­teine anrei­chere und so den Heilungs­prozess beschleunige, sagt Werner. Doch bei Verlet­zungen im Gesicht wäre eher eine Methode gefragt, die den Heilungs­prozess verlangsame und dafür die Narben­bildung verringere. Noch sind solche Anwen­dungen Zukunfts­musik. «Mit unserem inter­dis­zi­pli­nären Ansatz schaffen wir die Grund­lagen dafür – und tragen zum besseren Verständnis der Heilungs­pro­zesse bei», sagt Mazza.

Flagg­schiff-Projekt Skintegrity

Die Haut schützt unseren Körper und ist eine wichtige Barriere. Grosse akute Wunden, aber auch chronische Geschwüre sind ernst­hafte und häufige Probleme. Um ein detail­liertes Verständnis der moleku­laren, zellu­lären und biome­cha­ni­schen Mecha­nismen zu gewinnen, die der normalen und gestörten Wundheilung sowie verschie­denen Hautkrank­heiten zugrunde liegen, startete Hochschul­me­dizin Zürich 2016 das Flagg­schiff-Projekt Skinte­grity. Es bündelt die Kompe­tenzen von 30 Forschungs­gruppen der ETH, der Univer­sität Zürich und der univer­si­tären Spitäler von Zürich. In enger Zusam­men­arbeit entwi­ckeln Mediziner, Biologen, Materi­al­wis­sen­schaftler und Ingenieure neue Methoden und Ansätze mit dem Ziel, wichtige Hautkrank­heiten und Wundhei­lungs­stö­rungen besser diagnos­ti­zieren und behandeln zu können.

Origi­nal­pu­bli­kation: Wietecha MS, Pensalfini M, Cangkrama M, Müller B, Jin J, Brinckmann J, Mazza E, and Werner S. Activin-mediated altera­tions of the fibro­blast transcriptome and matrisome control the biome­cha­nical properties of skin wounds. Nat Commun. 11, 2020 May 25. doi: 10.1038/s41467-020–16409‑z

Textquelle: Peter Rüegg, Eidge­nös­sische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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