Winzige Bodyguards stoppen Krankheitserreger

Misch­kultur aus dem Pilzpa­thogen Pseudo­monas tolaasii und dem Helfer­bak­terium Mycetocola tolaa­si­ni­vorans. Foto: Leibniz-HKI

Winzige Bodyguards stoppen Krankheitserreger

Das Bakterium Pseudo­monas tolaasii löst die Braun­fle­cken­krankheit beim Zucht­cham­pignon aus und sorgt für erheb­liche Ernte­ver­luste. Der vom Erreger gebildete Wirkstoff Tolaasin schädigt die Zellmembran der Pilze, sodass die Zellen absterben. Doch der Pilz hat Unter­stützer, die ihn wider­stands­fähig machen: Bakterien der Gattung Mycetocola inakti­vieren das toxische Tolaasin und einen weiteren Wirkstoff, der der Beweg­lichkeit und Verbreitung des Erregers dient. Ein Forscherteam aus Jena nahm den moleku­laren Mecha­nismus der mikro­biellen Dreiecks­be­ziehung näher unter die Lupe. Das dabei entdeckte Schutz­prinzip könnte Vorbild für Anwen­dungen in der Landwirt­schaft oder Medizin sein.

Pilze sind eine wichtige Nahrungs­quelle und ihre weltweite Produktion ein Milli­ar­den­markt. Die für die Pilzzucht typische Tempe­ratur und Feuch­tigkeit bieten jedoch auch zahlreichen Krank­heits­er­regern optimale Bedin­gungen, sodass es durch Infek­tionen zu drasti­schen Ernte­aus­fällen kommen kann. Ein bekannter Erreger ist Pseudo­monas tolaasii. Das Bakterium bildet eine Gruppe ringför­miger Lipopeptide, Tolaasine genannt. Diese Toxine können in der Membran von Pilz- und auch Pflan­zen­zellen Poren bilden, die die Zelle schädigen und absterben lassen. Außerdem sind die Bakterien in der Lage, auf Oberflächen wie dem Hut des Champi­gnons auszu­schwärmen und sich damit rasch zu verbreiten. Unter­stützt wird die Beweg­lichkeit des Erregers durch oberflä­chen­aktive Pseudo­desmine, eine zu den Lipodep­si­pep­tiden gehörende Molekülfamilie.

Mit den Pilzen assozi­ierte Helfer­bak­terien der Gattung Mycetocola sorgen jedoch dafür, dass die Champi­gnons dem Angriff von Pseudo­monas tolaasii nicht schutzlos ausge­liefert sind. Bislang war unbekannt, wie das funktio­niert. »Wir sind einem neuen moleku­laren Mecha­nismus auf die Spur gekommen, der gegen die schäd­liche Aktivität des Toxins Tolaasin wirkt«, sagt Christian Hertweck, stell­ver­tre­tender Direktor des Leibniz-Instituts für Natur­stoff-Forschung und Infek­ti­ons­bio­logie – Hans-Knöll-Institut.

Das Team identi­fi­zierte Enzyme der Helfer­bak­terien Mycetocola tolaa­si­ni­vorans und M. lacteus, die die Ringstruktur der Tolaasine spalten und sie damit unwirksam machen. Zudem behindern die Helfer­bak­terien die weitere Besie­delung der Pilze mit dem Erreger, indem sie auch die für die Ausbreitung verant­wort­lichen Pseudo­desmine inakti­vieren. »Die Beobachtung, dass Helfer­bak­terien Krank­heits­er­reger, die ihren Wirt angreifen, anhalten und unschädlich machen, ist bisher beispiellos. Damit blockieren die schüt­zenden Partner sowohl die Fähigkeit von Tolaasin, die krank­haften Verän­de­rungen beim Pilz hervor­zu­rufen, als auch die Beweg­lichkeit des Erregers selbst«, so Hertweck, der an der Friedrich-Schiller-Univer­sität Jena einen Lehrstuhl innehat.

Mit diesen wissen­schaft­lichen Erkennt­nissen leisten Hertweck und sein Team einen bedeu­tenden Beitrag für das Verständnis der chemi­schen Grundlage von mikro­biellen Inter­ak­tionen, wie sie im DFG-Sonder­for­schungs­be­reich ChemBioSys und dem Jenaer Exzel­lenz­cluster Balance of the Micro­verse unter­sucht werden. »Damit bringen wir die schonende Schäd­lings­be­kämpfung in der Nahrungs­mit­tel­pro­duktion voran. Anstelle von Antibiotika könnten die Helfer­bak­terien oder deren Enzyme gezielt dafür einge­setzt werden, die Pilzkul­turen vor der Braun­fle­cken­krankheit zu schützen. Eine Zukunfts­vision wäre aber auch das Design von Helfer­bak­terien für den Einsatz in der Medizin«, sagt Hertweck.

Für die Unter­su­chungen wurde eine ganze Palette moderner chemi­scher und bioin­for­ma­ti­scher Analy­sen­me­thoden angewendet, darunter metabo­li­sches Profiling und bildge­bende Massen­spek­tro­metrie. Die Ergeb­nisse der Studie wurden im Fachjournal Procee­dings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Hermenau R, Kugel S, Komor AJ, Hertweck C (2020) Helper bacteria halt and disarm mushroom pathogens by linea­rizing struc­tu­rally diverse cyclo­pep­tides. Proc Natl Acad Sci doi.org/10.1073/pnas.2006109117

Textquelle: Dr. Michael Ramm, Leibniz-Institut für Natur­stoff-Forschung und Infek­ti­ons­bio­logie – Hans-Knöll-Institut (HKI), Jena

Bildquelle: Misch­kultur aus dem Pilzpa­thogen Pseudo­monas tolaasii und dem Helfer­bak­terium Mycetocola tolaa­si­ni­vorans. Foto: Leibniz-HKI