Wie Zellen ihr Skelett bilden

Wie Zellen ihr Skelett bilden

Zellen benötigen für viele wichtige Prozesse wie Zellteilung und zelluläre Trans­port­vor­gänge struk­tur­ge­bende Filamente, sogenannte Mikro­tubuli. Ein Forscher-Team unter Feder­führung von Wissen­schaftlern der Univer­sität Heidelberg hat nun heraus­ge­funden, wie die spiral­för­migen, modular aufge­bauten Mikro­tubuli entstehen und wie ihre Entstehung gesteuert wird. Sichtbar gemacht wurden diese Prozesse mit der hochmo­dernen Kryo-Elektro­nen­mi­kro­skopie (cryo-EM).

„Um Mikro­tubuli aus ihren Einzel­teilen herstellen zu können, bedienen sich die Zellen struk­tu­reller Vorlagen, die eine Schicht der Mikro­tubuli-Helix nachahmen und als Start­punkt für die neu zu bildenden Mikro­tubuli dienen können“, erläutert Dr. Stefan Pfeffer, Nachwuchs­grup­pen­leiter am Zentrum für Molekulare Biologie der Univer­sität Heidelberg (ZMBH). In mensch­lichen Zellen übernimmt der Gamma-Tubulin-Ring-Komplex (γ‑TuRC) diese Rolle als struk­tu­relle Vorlage. Um dessen Einfluss auf die Entstehung der Mikro­tubuli genauer zu verstehen, haben die Wissen­schaftler mithilfe der cryo-EM die Struktur des γ‑TuRC bei moleku­larer Auflösung bestimmt. Die Studie zeigt im Detail, wie der γ‑TuRC aufgebaut ist und wie die etwa 30 verschie­denen Kompo­nenten, die ihn ausmachen, zusam­men­finden. Damit wird auch deutlich, auf welche Weise die Neubildung von Mikro­tubuli am γ‑TuRC durch eine simple Änderung des Ringdurch­messers schnell reguliert werden kann.

„Insbe­sondere die Aktivierung des γ‑TuRC ist essen­tiell für eine effiziente und zuver­lässige Teilung des Erbguts während der Zellteilung. Da die Anzahl der Mikro­tubuli in Krebs­zellen verändert ist und zum aggres­siven Verhalten von Tumoren beiträgt, sind die Erkennt­nisse auch für die Krebs­for­schung von Bedeutung“, betont Prof. Dr. Elmar Schiebel, Forschungs­grup­pen­leiter am ZMBH und gemeinsam mit Dr. Pfeffer korre­spon­die­render Autor der Studie. Als einen nächsten Schritt planen die Wissen­schaftler, Substanzen zu finden, mit denen die Mikro­tubuli bildende Aktivität des γ‑TuRC blockiert werden kann. Ziel wäre die Etablierung eines neuen Wirkprinzips für die Hemmung der Zellteilung, eine mögliche Anwendung sehen die Forscher in der Tumortherapie.

Beteiligt an der Studie waren auch Wissen­schaftler der Univer­si­täten Bochum und Bonn sowie der Charité – Univer­si­täts­me­dizin Berlin. Veröf­fent­licht wurden die Forschungs­er­geb­nisse in der Fachzeit­schrift „Nature“.

Textquelle: Marietta Fuhrmann-Koch / Univer­sität Heidelberg

Fotonachweis: Cryo-EM-Struktur der γ‑TuRC Spirale. Die verschie­denen Bestand­teile des Komplexes wurden unter­schiedlich einge­färbt. Abbildung: Pfeffer & Schiebel, ZMBH

Origi­nal­pu­bli­kation: P. Liu, E. Zupa, A. Neuner, A. Böhler, J. Loerke, D. Flemming, T. Ruppert, T. Rudack, C. Peter, C. Spahn, O. J. Gruss, S. Pfeffer & E. Schiebel: Insights into assembly and activation of the micro­tubule nucleator γ‑TuRC (doi: 10.1038/s41586-019‑1896‑6)