Wie sich gedank­liches Abschweifen im Gehirn abbildet

Wie sich gedank­liches Abschweifen im Gehirn abbildet

Jeder schweift mit den Gedanken mal ab. Das kann aber nicht nur die eigene Leistung mindern. Bei risiko­reichen Arbeiten kann es auch gefährlich sein. Forschende des Leibniz-Instituts für Arbeits­for­schung an der TU Dortmund (IfADo) haben das Phänomen in einer aktuellen Studie in Zusam­men­arbeit mit Forschenden der Univer­sität Heidelberg unter­sucht. Die Messung von Alpha-Aktivität im Gehirn ist demnach ein guter Indikator für gedank­liches Abschweifen. Das Ergebnis könnte sowohl in der Forschung als auch in der Praxis genutzt werden.

Man kann ziemlich schnell gedanklich abschweifen. Egal, ob man während der Arbeit bereits über den Feier­abend nachdenkt oder beim Autofahren die Einkaufs­liste im Kopf zusam­men­stellt. Das schadet aber der kogni­tiven Leistung, zum Beispiel wenn es um anhal­tende Aufmerk­samkeit oder das Gedächtnis geht. Verschiedene Studien haben zwar unter­sucht, wie sich Abschweifen im Gehirn abbildet, kommen aber nicht zu einem eindeu­tigen Ergebnis. Das liegt vor allem daran, dass viele unter­schied­liche Methoden verwendet worden sind.

Der Fokus der Forschenden um IfADo-Psycho­logen Dr. Stefan Arnau lag deswegen insbe­sondere auf der Methodik der Studie. Sie vermu­teten einen Zusam­menhang zwischen gedank­lichem Abschweifen und der Alpha-Aktivität im Gehirn. Die Alpha-Aktivität ist einer von fünf Frequenz­be­reichen, in denen die Aktivität des Gehirns mittels Elektro­en­ze­pha­lographie (EEG) gemessen wird. Sie zeigt sich vorwiegend, wenn sich die Aufmerk­samkeit ins Innere richtet. Die Alpha-Aktivität könnte deswegen eine vielver­spre­chende Variable zur Erkennung von gedank­lichem Abschweifen sein.

Insgesamt nahmen 100 Personen zwischen 18 und 60 Jahren an den Versuchen teil, die an der Univer­sität Heidelberg durch­ge­führt wurden. Den Teilneh­me­rinnen und Teilnehmern wurden dabei zwei verschiedene einfache und eher monotone Aufgaben am PC gestellt. Insgesamt mussten sie 640 Aufgaben in mehreren Blöcken erledigen. Sie wurden zwischen den Aufga­ben­blöcken zu zufäl­ligen Zeitpunkten befragt, ob sie gerade abgeschweift sind. War das der Fall, wurden die drei zuletzt gemachten Aufga­ben­blöcke als „Abschweifen“ bezeichnet. 32 Personen gaben häufig genug an, gedanklich abgeschweift zu sein, um das Phänomen anhand ihrer Daten unter­suchen zu können. Neben der Reakti­onszeit und der Antwort­ge­nau­igkeit wurde die Hirnak­ti­vität mittels EEG erfasst.

Erhöhte Alpha-Aktivität bei gedank­lichem Abschweifen

Wer mit seinen Gedanken bei den Aufgaben woanders war, machte signi­fikant mehr Fehler. Auf die Reakti­onszeit hatte das gedank­liche Abschweifen jedoch keinen Einfluss. Grund­sätzlich waren alle Teilneh­menden schneller, wenn sie in einem Aufga­ben­block dieselbe Aufgabe lösen sollten wie in dem vorhe­rigen. Auch im EEG gab es eindeutige Ergeb­nisse: Die Alpha-Aktivität war besonders zwischen den Aufga­ben­blöcken erhöht, bei denen die Testper­sonen gedanklich abgeschweift sind. In künftigen EEG-Studien kann dieses Ergebnis berück­sichtigt werden, besonders wenn die Versuche eher monoton gestaltet sind und Abschweifen einen Einfluss auf die Ergeb­nisse haben könnte. Darüber hinaus ließe sich die Alpha-Aktivität durchaus auch am Arbeits­platz messen. Wenn damit also ein Abschweifen frühzeitig erkannt werden kann, könnten so poten­zielle Gefah­ren­quellen minimiert werden.

Origi­nal­pu­bli­kation: Arnau, S, Löffler, C, Rummel, J, Hagemann, D, Wascher, E, Schubert, A-L. Inter-trial alpha power indicates mind wandering. Psycho­phy­siology. 2020; 57:e13581. https://doi.org/10.1111/psyp.13581

Textquelle: Verena Kemmler, Leibniz-Institut für Arbeits­for­schung an der TU Dortmund

Bildquelle: Nachdenk­liches Kind in Bangladesh, Foto: Faisal Akram, Lizenz: CC BY-SA 2.0