Telen­eu­ro­logie: Ländlicher Raum profitiert

Aktivi­täts­muster bei Gesunden und Schlag­anfall-Patienten, gemessen mit fMRT: Foto: Dr. C Grefkes, Foto: Uniklinik Köln, Lizenz: CC BY 3.0

Telen­eu­ro­logie: Ländlicher Raum profitiert

Die Bedeutung der Teleme­dizin ist in den vergan­genen Jahren erheblich gestiegen – und hat aufgrund der COVID-19 Pandemie nun noch einen weiteren Schub nach vorne erfahren. Auch bei der Behandlung von Schlag­an­fall­pa­ti­enten ist die Teleme­dizin von großer Relevanz: So gibt es in Deutschland in diesem Bereich mittler­weile über 20 teleme­di­zi­nische Netzwerke, in ihnen sind insgesamt über 200 neuro­lo­gische Kliniken mitein­ander verbunden. Warum sich dadurch die Akutbe­handlung von Schlag­an­fall­pa­ti­enten verbessern lässt, erläutern Experten der Deutschen Schlag­anfall-Gesell­schaft (DSG) am 26. Oktober. Anlass ist der diesjährige Weltschlag­an­falltag am 29. Oktober.

Ein Schlag­anfall ist immer ein medizi­ni­scher Notfall. Bei der Diagnose und Therapie eines Hirnin­farkts entscheiden oft wenige Minuten darüber, wie groß der durch die Unter­ver­sorgung verur­sachte Schaden im Hirn ist. Um die Patien­ten­ver­sorgung, insbe­sondere in ländlichen Kliniken, in denen häufig kein Neurologe 24-Stunden an sieben Tagen in der Woche im Einsatz ist zu verbessern, sind in Deutschland mittler­weile über 200 Kliniken teleme­di­zi­nisch mit anderen Kliniken vernetzt. »Die teleme­di­zi­nische Schlag­an­fall­be­handlung in Deutschland ist mit über 35.000 Telekon­silen pro Jahr von großer Bedeutung – nahezu jeder zehnte Schlag­an­fall­pa­tient wird teleme­di­zi­nisch mitbe­handelt«, so Privat­dozent Dr. med. Christoph Gumbinger, Sprecher der DSG-Kommission teleme­di­zi­nische Schlag­an­fall­ver­sorgung. Die Telen­eu­ro­logie sei damit in Deutschland in einer Vorreiterrolle.

Bei einer teleme­di­zi­ni­schen Behandlung – einem sogenannten Telekonsil – berät ein Experte aus einer überre­gio­nalen Stroke Unit den behan­delnden Arzt vor Ort bei der Entschei­dungs­findung über die Akutthe­rapie. »Der Experte unter­sucht dabei den Patienten mit Hilfe einer fernsteu­er­baren hochauf­lö­senden Kamera«, erläutert Gumbinger. Gemeinsam finden der behan­delnde Arzt vor Ort und der Experte in der Stroke Unit so die beste Therapie für den Patienten – und können diese umgehend beginnen. So könne beispiels­weise die akute Behandlung eines Schlag­an­falls durch eine Throm­bolyse – bei der ein Blutge­rinnsel im Gehirn mit Hilfe von Medika­menten aufgelöst wird – umgehend und ohne einen möglichen Zeitverlust durch Trans­portwege durch­ge­führt werden. Das hat einen großen Vorteil für die Behandlung von Schlag­an­fall­pa­ti­enten: Je schneller mit der Therapie begonnen werden kann, desto geringer sind im Regelfall die zurück­blei­benden Behin­de­rungen. »Durch die Telen­eu­ro­logie steht das für die Thera­pie­ent­scheidung notwendige Exper­ten­wissen in den angeschlos­senen Kliniken jederzeit zur Verfügung«, erläutert Gumbinger, Leiter der Stroke Unit an der Neuro­lo­gi­schen Univer­si­täts­klinik Heidelberg. Die teleme­di­zi­nische Vernetzung sei jedoch kein Ersatz für den Neuro­logen vor Ort, der die weitere Therapie des Schlag­an­fall­pa­ti­enten verant­wortet. Sie sei vielmehr als Ergänzung zu der ärztlichen Betreuung vor Ort zu sehen.

Die erste Welle der Corona-Pandemie im Frühjahr – während der akutsta­tionäre Behand­lungen zurück­gingen – hat die Neuro­logie ebenso wie viele andere medizi­nische Diszi­plinen stark getroffen, dennoch konnten die Teleme­di­zin­netz­werke während dieser Zeit die volle Einsatz­be­reit­schaft aufrecht erhalten. »Zeitweise kam es zu 30 Prozent weniger teleme­di­zi­ni­schen Behand­lungen, obwohl die Ressourcen für die Versorgung von Schlag­an­fällen in den Kliniken zur Verfügung standen«, so Gumbinger. Das lag nach Einschätzung des DSG-Experten vor allem an der Angst davor, einen Arzt oder eine Klinik aufzu­suchen, was aus seiner Sicht jedoch unbegründet sei. »Keines­falls sollte aus Angst vor Corona eine notwendige Kranken­haus­be­handlung hinaus­ge­zögert werden. Der Zeitverlust durch eine zu späte Vorstellung im Krankenhaus kann bei einem medizi­ni­schen Notfall – wie einem Schlag­anfall – auch durch eine teleme­di­zi­nische Behandlung nur noch teilweise wettge­macht werden.«

Obwohl die Teleme­dizin in der Neuro­logie einen entschei­denden Beitrag zur Versor­gungs­qua­lität von Schlag­an­fall­pa­ti­enten leistet, ist ihre Finan­zierung nicht einheitlich. »Es besteht deutsch­landweit ein Flicken­teppich, was die Finan­zierung dieser wichtigen Behand­lungsform angeht. Das führt teilweise zu einer kriti­schen Unter­ver­sorgung der Netzwerke«, betont der DSG-Experte. »Im Sinne der Patienten streben wir hier eine nachhaltige Finan­zierung an. Hier ist nicht zuletzt auch die Politik gefragt.«

Textquelle: Arbeits­ge­mein­schaft der Wissen­schaft­lichen Medizi­ni­schen Fachge­sell­schaften e.V.

Bildquelle: Aktivi­täts­muster bei Gesunden und Schlag­anfall-Patienten, gemessen mit fMRT. Foto: Dr. C Grefkes, Foto: Uniklinik Köln, Lizenz: CC BY 3.0