Sport-Schmerz­mittel: Missbrauch und Risiken

Der Schmerz­mit­tel­miss­brauch ist nicht nur ein Problem im Profi­sport. Immer mehr Amateur­sportler begeben sich auch in ihrer Freizeit unter zusätz­lichen Leistungs­druck und greifen dafür zu Pillen und Spritzen. Hier ein Foto vom Ladiesrun 2015 in Rotterdam. Foto: Peter van der Sluijs, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Sport-Schmerz­mittel: Missbrauch und Risiken

Immer häufiger greifen Sportler zu schmerz- und entzün­dungs­hem­menden Medika­menten. Ob Muskeln oder Gelenke – NSAR (z.B. Ibuprofen) sind dabei die am häufigsten einge­setzte Wirkstoff­gruppe. Profi- und Freizeit­sportler erhoffen sich davon, Beschwerden oder Schmerzen zu lindern oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Doch gerade der »prophy­lak­tische« Gebrauch ist gefährlich, seine Verbreitung unter Nachwuchs­ath­leten inzwi­schen besorg­nis­er­regend, warnt die Gesell­schaft für Ortho­pä­disch-Trauma­to­lo­gische Sportmedizin.

Während Erwachsene und Senioren oft wegen Beschwerden des musku­los­ke­lettalen Apparates NSAR einnehmen, ist die Motivation im Nachwuchs­sport die verbreitete Annahme, mit Schmerz­mitteln einen unspe­zi­fi­schen »Belas­tungs­schmerz« in Wettkampf­si­tua­tionen lindern bzw. vorbeugen zu können.

In einer aktuellen, sport­ar­ten­über­grei­fenden Studie unter Einbezug von 313 Nachwuchs­ath­leten (NCAA College; Alter ca. 18–20 Jahre) gab jede vierte weibliche Athletin und jeder fünfte männliche Athlet an, zum Stichtag der Umfrage NSAR einzu­nehmen. Bei Umfragen auf Marathon-Veran­stal­tungen gab sogar die Hälfte der Freizeit­sportler an, Schmerz­mittel einzunehmen.

Proble­ma­tisch ist, dass viele Präparate zum Teil rezeptfrei im Handel erhältlich sind und durch die Einnahme mehrerer Tabletten eine rezept­pflichtige und damit wesentlich höhere Dosis erreicht werden kann. Durch falsche Vorbild­funktion, fehlende Aufklärung und Gewohnheit kann eine gefähr­liche Selbst­me­di­kation entstehen – und das in Unkenntnis über das erheb­liche Nebenwirkungspotential.

Die erwünschten Wirkungen der NSAR beruhen auf der vermin­derten Synthese von Prosta­glan­dinen. Je nach Stoff­gruppe und Dosis werden den NSAR somit analge­tische (schmerz­hem­mende), antipy­re­tische (fieber­sen­kende) und antiphlo­gis­tische (entzün­dungs­hem­mende) Eigen­schaften zugesprochen.

NSAR greifen aufgrund der vielfäl­tigen Funktionen der Prosta­glandine in relevante Stoff­wechsel-Prozesse des gesamten Organismus ein. Unter sport­licher Belastung (erhöhte Herz-Kreis­lauf­be­lastung, Umver­teilung des Blutvo­lumens zugunsten der Skelett­mus­ku­latur) können die Auswir­kungen sogar noch verstärkt werden. Bei inten­siver körper­licher Belastung (z.B. Flüssig­keits­verlust mit Dehydrierung, Elektro­lyt­ver­schie­bungen) drohen bei NSAR-Gebrauch erheb­liche gesund­heit­liche Risiken.

Zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden bis hin zur Ulkus-Entstehung mit gastro-intesti­naler Blutung, Erhöhung des Risikos arteri­eller throm­bo­ti­scher Ereig­nisse (z.B. akuter Myokard­in­farkt), Minderung der Nieren­per­fusion, Verschlech­terung der Nieren­funktion bis hin zum akuten Nieren­ver­sagen. Weiterhin können mit der Einnahme eine negative Beein­flussung des Knochen­stoff­wechsels mit der Gefahr von Stress­frak­turen, oder eine schlechtere Sehnen- und Knochen­heilung nach Überlas­tungen einhergehen.

Aufklärung unzurei­chend

Eine wichtige Rolle für die Aufklä­rungs­arbeit spielt das direkte Betreu­ungs­umfeld der Sportler. Die beglei­tende Aufklärung des Trainer­teams zu Schmerzmitteln/NSAR ist absolut wichtig.

In der Praxis des Leistungs­sports hat es sich bewährt, vor der Einnahme jeglicher pharma­ko­lo­gi­schen Substanzen, Rücksprache mit dem betreu­enden Sportarzt zu halten. Im Breiten­sport fehlen solche Ansprech­partner häufig ganz.

Fest steht: »Beschwerden und Schmerzen während des Sports müssen profes­sionell von medizi­ni­scher Seite abgeklärt und keines­falls mit Medika­menten in Eigen­regie thera­piert werden. NSAR-Präparate weisen ein erheb­liches Neben­wir­kungs- und Gefah­ren­po­tential auf«, warnt PD Dr. Thilo Hotfiel, Orthopäde, Unfall­chirurg und Vorstands­mit­glied der GOTS.

Grund­sätzlich bekämpft der Einsatz von Schmerz­mitteln nicht die Ursachen der akuten oder überlas­tungs­be­dingten Beschwerden im Sport. Insbe­sondere die, je nach Sportart und Anfor­de­rungs­profil, überlas­tungs­be­dingten Verlet­zungen entstehen oftmals durch ein Missver­hältnis zwischen Belastung und der indivi­du­ellen Belas­tungs­fä­higkeit. Die Anpassung und Steuerung der Trainings­be­lastung und die indivi­duelle Erfassung von Risiko­fak­toren sind die wichtigsten Eckpfeiler in der Prävention und Therapie.

Sind Medika­mente während des Sports medizi­nisch notwendig, so sollten sie unter strenger Indika­ti­ons­stellung, Abklärung des indivi­du­ellen Risiko­profils und möglichst nur kurzfristig einge­setzt werden.

Textquelle: Kathrin Reisinger, Gesell­schaft für Ortho­pä­disch-Trauma­to­lo­gische Sport­me­dizin (GOTS)

Bildquelle: Der Schmerz­mit­tel­miss­brauch ist nicht nur ein Problem im Profi­sport. Immer mehr Amateur­sportler begeben sich auch in ihrer Freizeit unter zusätz­lichen Leistungs­druck und greifen dafür zu Pillen und Spritzen. Hier ein Foto vom Ladiesrun 2015 in Rotterdam. Foto: Peter van der Sluijs, Lizenz: CC BY-SA 3.0