Psyche und Handeln: Auf die Haltung kommt es an

Der »Körper­bautyp« bezeichnet einen somati­schen Konsti­tu­ti­ons­typen. Im engeren Sinn meint man einen der drei Somato­typen nach der Typologie William Sheldons: ektomorph, mesomorph oder endomorph. Sheldon postu­lierte eine Einteilung des Menschen nach den Keimblatt­ge­weben des Embryos; diese Keimblatt­gewebe trügen beim einzelnen Menschen in unter­schied­lichem Ausmaß zur Körper­masse bei und bestimmten so den Typ. Diese Idee ist heute medizi­nisch widerlegt. Das Konzept taucht heute fast ausschließlich im Fitness-Bereich auf, um ein dem Körpertyp angepasstes Trainings­pro­gramm zu erstellen. Die Begriffe und umso mehr die dahin­ter­ste­hende Theorie sind aus heutiger Sicht mehr als fragwürdig; wissen­schaftlich relevant sind sie nicht. In der Human­bio­logie aller­dings werden die Körper­bau­typen zur Beschreibung des indivi­du­ellen morpho­lo­gisch-anato­mi­schen Aufbaus eines Menschen genutzt. Die Bestimmung des Typs erfolgt dabei über die Messung der Breite der großen Gelenke (z.B. Knie) und Einsetzung in eine Formel. Unser Foto zeigt Somato­typen von drei achtzehn­jäh­rigen Jungen, von links nach rechts: endomorph, mesomorph und ektomorph. Fotoquelle: The Adole­scent Period, 1951 Frank Kayley Shuttle­worth, Licence non renou­velée dans les 28 ans suivant la publi­cation, Gemeinfrei

Psyche und Handeln: Auf die Haltung kommt es an

In einer aktuellen Übersichts­arbeit und Meta-Analyse konnten Psycho­logen belegen, dass es eine eindeutige Auswirkung der Körper­haltung und von Bewegungs­mustern auf die Psyche gibt. Beteiligt waren Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler der Univer­sität Aarhus in Dänemark, der Columbia University in New York und der Univer­sität Witten/Herdecke. Die Arbeit ist jetzt in der renom­mierten Zeitschrift »Perspective on Psycho­lo­gical Science« erschienen.

Einer der Autoren, Prof. Johannes Michalak von der Univer­sität Witten/Herdecke, erläutert: »Uns hat vor allem inter­es­siert, ob der Effekt von Bewegungen und Körper­hal­tungen wirklich robust ist, sich also in unter­schied­lichen Studien immer wieder findet oder ob er eher darauf zurück­zu­führen ist, dass in wissen­schaft­lichen Zeitschriften vor allem positive Befunde veröf­fent­licht werden und keine Null-Befunde«.

Mit spezi­ellen Verfahren zu statis­ti­schen Kontrolle des sogenannten Publi­ka­ti­onsbias wurden Ergeb­nisse von über 70 Studien analy­siert. Es zeigte sich, dass der Effekt des Körpers auf die Psyche robust ist und unter­schied­liche emotionale und verhal­tens­be­zogene Variablen, wie Gefühle, das emotionale Gedächtnis oder die Risiko­be­reit­schaft durch das motorische System beein­flusst werden.

Prof. Dr. Johannes Michalak. Foto: Jürgen Appelhans

Effekte auf das Hormon-System konnte aller­dings nicht robust nachge­wiesen werden. Und noch ein wichtiges Ergebnis zeigte die Studie. Prof. Michalak: »Unsere Analysen haben ergeben, dass eine zusam­men­ge­sunkene Körper­haltung sich negativ auf den Zustand der Probanden auswirkt. Aller­dings haben wir keine Hinweise für die positiven Effekte einer betont expan­siven Körper­haltung im Sinne des Power-Posing gefunden.«

Ein großes öffent­liches Interesse an dieser Frage hatte 2010 eine Studie des Forscher­teams um Dana Carney und Amy Cuddy von der Harvard Business School zum sogenannten Power-Posing ausgelöst. In dieser Studie zeigten Probanden, die eine weite, offene und raumein­neh­mende Körper­haltung, die Macht verkörpern sollte, einnahmen im Gegensatz zu Probanden, die eine zusam­men­ge­sunkene Köper­haltung einnahmen, mehr Risiko­be­reit­schaft, mehr Gefühle der Macht und Verän­de­rungen im Hormon­spiegel (höhere Testo­steron und verrin­gerte Cortisol-Konzen­tra­tionen). Ein TED-Talk, bei dem Amy Cuddy ihre Ergeb­nisse vorstellte und Power-Posing als Weg zur Verän­de­rungen von Verhalten und psycho­lo­gi­schen Zuständen präsen­tierte, wurde mehr als 50 Millionen mal geschaut.

Aller­dings wurde diese Studie schnell wegen metho­di­scher Mängel und gemischter Repli­ka­ti­ons­er­geb­nisse kriti­siert. Mittler­weise sind eine Vielzahl von Studien zu der Frage durch­ge­führt worden, wie sich Körper­haltung und Bewegungs­muster auf Emotionen und Verhalten auswirken. »Die Forschung ist nämlich wichtig, um Menschen mit depres­siven Erkran­kungen in Zukunft besser helfen zu können. In den Studien, die in die Metanalyse aufge­nommen worden sind, wurden immer nur kurzzeitige Effekte unter­sucht. In Zukunft sollte man Studien dazu durch­führen, ob sich ein Training von Körper­haltung oder Bewegungs­mustern auch länger­fristig auf den Zustand und die Symptome von depres­siven Patienten auswirken«, empfiehlt Michalak.

Origi­nal­pu­bli­kation: Elkjær, E., Mikkelsen, M.B., Michalak, J., Mennin, D. S. & O’Toole, M.S. (2020). Expansive and contractive postures and movement: A syste­matic review and meta-analysis of the effect of motor displays on affective and behavioral responses. Perspec­tives on Psycho­lo­gical Science. doi: 10.1177/1745691620919358 / https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1745691620919358

Textquelle: Kay Gropp, Univer­sität Witten/Herdecke

Bildquelle: Prof. Dr. Johannes Michalak. Foto: Jürgen Appelhans

Bildquelle: Der »Körper­bautyp« bezeichnet einen somati­schen Konsti­tu­ti­ons­typen. Im engeren Sinn meint man einen der drei Somato­typen nach der Typologie William Sheldons: ektomorph, mesomorph oder endomorph. Sheldon postu­lierte eine Einteilung des Menschen nach den Keimblatt­ge­weben des Embryos; diese Keimblatt­gewebe trügen beim einzelnen Menschen in unter­schied­lichem Ausmaß zur Körper­masse bei und bestimmten so den Typ. Diese Idee ist heute medizi­nisch widerlegt. Das Konzept taucht heute fast ausschließlich im Fitness-Bereich auf, um ein dem Körpertyp angepasstes Trainings­pro­gramm zu erstellen. Die Begriffe und umso mehr die dahin­ter­ste­hende Theorie sind aus heutiger Sicht mehr als fragwürdig; wissen­schaftlich relevant sind sie nicht. In der Human­bio­logie aller­dings werden die Körper­bau­typen zur Beschreibung des indivi­du­ellen morpho­lo­gisch-anato­mi­schen Aufbaus eines Menschen genutzt. Die Bestimmung des Typs erfolgt dabei über die Messung der Breite der großen Gelenke (z.B. Knie) und Einsetzung in eine Formel. Unser Foto zeigt Somato­typen von drei achtzehn­jäh­rigen Jungen, von links nach rechts: endomorph, mesomorph und ektomorph. Fotoquelle: The Adole­scent Period, 1951 Frank Kayley Shuttle­worth, Licence non renou­velée dans les 28 ans suivant la publi­cation, Gemeinfrei