Prote­in­bio­syn­these: Neue Antibiotika-Perspektive?

Philipp Zuber M.Sc. (li.) und Dr. Stefan H. Knauer (re.) mit dem hochauf­lö­senden 1‑Giga­hertz-Spektro­meter auf dem Bayreuther Campus. Es ist eines der weltweit leistungs­fä­higsten Spektro­meter für magne­tische Kernre­sonanz (NMR). Foto: Rainer Hofmann

Prote­in­bio­syn­these: Neue Antibiotika-Perspektive?

Forscher der Univer­sität Bayreuth und der Columbia University in New York berichten in der Zeitschrift »iScience« über wegwei­sende Erkennt­nisse zur Prote­in­bio­syn­these in Bakterien. Das kleine Protein NusG verknüpft zwei molekulare Maschinen, die bei der Genex­pression, der Herstellung bakte­ri­eller Proteine auf der Basis von Erbinfor­ma­tionen, zusam­men­wirken: die RNA-Polymerase und das Ribosom. Die molekulare Brücke versetzt die Bakte­ri­en­zelle in die Lage, die zeitlich aufein­ander folgenden Abschnitte der Genex­pression, die Transkription und die Trans­lation, optimal aufein­ander abzustimmen. Sie könnte deshalb ein hervor­ragend geeig­neter Angriffs­punkt für künftige antibio­tische Wirkstoffe sein.

In allen Lebewesen ist die Genex­pression ein zweistu­figer Prozess: Zunächst werden die in der DNA gespei­cherten Erbinfor­ma­tionen als Vorlage genutzt, um auf dieser Basis Ribonu­kle­in­säuren, sogenannte messenger-RNAs (mRNAs), zu synthe­ti­sieren. Dadurch werden die Erbinfor­ma­tionen in eine für die Zelle unmit­telbar verwertbare Form gebracht. Für diesen Vorgang, die Transkription, ist die RNA-Polymerase zuständig. Die messenger-RNAs wiederum enthalten die moleku­laren Baupläne, die vom Ribosom erkannt und für die Herstellung entspre­chender Proteine, die Trans­lation, genutzt werden. Bei Menschen und Tieren sind diese beiden Abschnitte der Genex­pression räumlich und bioche­misch klar getrennt. In den Zellen von Bakterien sind sie hingegen, wie man schon seit mehr als 50 Jahren weiß, anein­ander gekoppelt.

Bereits vor zehn Jahren publi­zierte eine Bayreuther Forschungs­gruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Paul Rösch in »Science« erste Indizien dafür, dass die Kopplung durch das Protein NusG verur­sacht sein könnte. Doch erst jetzt gelang der Forschungs­gruppe von Dr. Stefan H. Knauer in Zusam­men­arbeit mit Partnern an der Columbia University, New York, der erste, direkte struk­tu­relle Nachweis. NusG besteht aus zwei flexibel verbun­denen Bereichen: einer amino­ter­mi­nalen Domäne (NTD) und einer carboxy­ter­mi­nalen Domäne (CTD). Die CTD bindet an das Ribosom, die NTD an die RNA-Polymerase. Auf diese Weise bildet NusG –eine flexible Brücke zwischen den zentralen Maschinen der Genex­pression, ähnlich einer beweg­lichen Kupplung zwischen Eisen­bahn­waggons. Diese Verbindung bewirkt, dass Transkription und Trans­lation zeitlich aufein­ander abgestimmt sind. Experi­mente mit hochauf­lö­sender magne­ti­scher Kernre­sonanz-Spektro­skopie (NMR), die am Nordbaye­ri­schen NMR-Zentrum der Univer­sität Bayreuth durch­ge­führt wurden, haben diese Zusam­men­hänge eindeutig sichtbar gemacht.

»Damit eröffnen sich hochin­ter­es­sante Perspek­tiven für die Entwicklung antibio­ti­scher Wirkstoffe. Wenn es gelingt, diesen moleku­laren Brückenbau zu verhindern, könnte die bakte­rielle Prote­in­syn­these und damit auch die Vermehrung von Bakterien empfindlich gestört werden – und zwar ohne dass der mensch­liche Organismus dadurch beein­trächtigt wird. Wir konnten in dieser Hinsicht schon erste vielver­spre­chende Forschungs­er­geb­nisse erzielen«, sagt Dr. Stefan Knauer. »Der Nachweis für die zentrale Rolle von NusG bei der bakte­ri­ellen Prote­in­bio­syn­these ist uns vor allem dadurch gelungen, dass wir struk­tur­bio­lo­gische, bioche­mische und moleku­lar­bio­lo­gische Verfahren mitein­ander kombi­niert haben. Diese inter­dis­zi­plinäre Heran­ge­hens­weise wollen wir auch bei der Suche nach effizi­enten Wirkstoffen weiter verfolgen«, ergänzt Mitautor Philipp Zuber.

Origi­nal­pu­bli­kation: Robert S. Washburn et al.: Esche­richia coli NusG links the lead ribosome with the transcription elongation complex. iScience (2020), DOI: https://dx.doi.org/10.1016/j.isci.2020.101352

Textquelle: Christian Wißler, Univer­sität Bayreuth

Bildquelle: (oben) Philipp Zuber M.Sc. (li.) und Dr. Stefan H. Knauer (re.) mit dem hochauf­lö­senden 1‑Giga­hertz-Spektro­meter auf dem Bayreuther Campus. Es ist eines der weltweit leistungs­fä­higsten Spektro­meter für magne­tische Kernre­sonanz (NMR). Foto: Rainer Hofmann

Grafik­quelle: NusG koppelt Transkription und Trans­lation. NusG bindet mit seiner NTD an die RNA-Polymerase und mit seiner CTD an das Ribosom. Es dient somit als flexible Verbindung zwischen den beiden Maschinen. Grafik: Philipp Zuber