Problem: Ernährung für Kinder in Kliniken

»Die Auswir­kungen einer unaus­ge­wo­genen Ernährung sind bei Kindern gravie­render als bei Erwach­senen«, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorsit­zender der Stiftung Kinder­ge­sundheit. »Besonders bei Babys und Klein­kindern wirkt sich ein durch Fehlernährung entste­hendes Unter­ge­wicht nachteilig auf das Längen­wachstum aus, kann die körper­liche und intel­lek­tuelle Reifung hemmen und auch das Immun­system schwächen, mit der Folge von gehäuften Infek­tionen. Die langfristige Gesundheit und Leistungs­fä­higkeit werden nachhaltig beein­trächtigt.« Foto: Curtis Newton, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de

Problem: Ernährung für Kinder in Kliniken

In keinem anderen Lebens­ab­schnitt ist die Qualität der Ernährung so wichtig wie in der Kindheit. Sie ist die Grundlage für gesundes Wachstum und ungestörte Entwicklung, für lebens­lange Gesundheit und Leistungs­fä­higkeit. Besonders für chronisch kranke Kinder kann die richtige Ernährung von entschei­dender Bedeutung sein, um ihre Lebens­qua­lität zu fördern und ein Leben ohne schwere Belas­tungen oder Langzeit­schäden zu ermög­lichen. In der Ernäh­rungs­the­rapie kranker Kinder in Deutschland gibt es jedoch große Defizite, beklagt die Stiftung Kinder­ge­sundheit in einer aktuellen Stellung­nahme: Die Ausstattung der Kinder­kli­niken mit Ernäh­rungs­fach­kräften entspricht nicht dem tatsäch­lichen Bedarf, und die Kosten einer bedarfs­ge­rechten Ernäh­rungs­be­ratung werden durch das starre System der Fallpau­schalen nicht gedeckt.

»Die Auswir­kungen einer unaus­ge­wo­genen Ernährung sind bei Kindern gravie­render als bei Erwach­senen«, betont Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorsit­zender der Stiftung Kinder­ge­sundheit und Vorsit­zender der Ernäh­rungs­kom­mission der Deutschen Gesell­schaft für Kinder- und Jugend­me­dizin (DGKJ). »Im Vergleich zu Erwach­senen sind bei kranken Säuglingen, Kindern und Jugend­lichen die Folgen einer Fehlernährung weitaus schwer­wie­gender auf den Heilungs­prozess und die Entstehung von Kompli­ka­tionen. Besonders bei Babys und Klein­kindern wirkt sich ein durch Fehlernährung entste­hendes Unter­ge­wicht nachteilig auf das Längen­wachstum aus, kann die körper­liche und intel­lek­tuelle Reifung hemmen und auch das Immun­system schwächen, mit der Folge von gehäuften Infek­tionen. Die langfristige Gesundheit und Leistungs­fä­higkeit werden nachhaltig beeinträchtigt.«

Besonders wichtig ist die fachge­rechte Ernäh­rungs- und Diätbe­ratung für die große Gruppe von Kindern mit einer chroni­schen oder ernäh­rungs­be­dingten Erkrankung. Dazu zählen unter anderem Kinder mit Morbus Crohn, Zöliakie, Leber­ent­zün­dungen, Asthma, Allergien, Epilepsie und angebo­renen Fehlbil­dungen wie z. B. Herzfehlern.

Unter­ge­wicht wird oft unterschätzt

Neben dem großen Problem Überge­wicht ist auch Unter­ge­wicht ein wichtiges, oft unter­schätztes Thema der Ernäh­rungs­me­dizin, betont die Stiftung Kinder­ge­sundheit. Nach aktuellen Studien ist fast jedes vierte Kind, das ins Krankenhaus muss, mäßig bis schwer­wiegend unter­ge­wichtig. Besonders hoch ist das Risiko einer Mangel­er­nährung bei kranken Kindern unter zwei Jahren und bei Kinder mit Erkran­kungen des Nerven­systems und der Verdauungsorgane.

Auch schwer­kranke Kinder sind durch Mangel­er­nährung gefährdet. So waren Kinder einer Studie, die bei ihrer Aufnahme auf die Inten­siv­station zu 9 Prozent Unter­ge­wicht aufwiesen, bei ihrer Entlassung bereits zu 23 Prozent unter­ge­wichtig. Auch viele sehr unreife Frühchen fallen auf der Neuge­bo­renen-Inten­siv­station noch weiter auf ihrer Gewichts­per­zentile ab.

»Entspre­chend ist ein bedarfs­ge­rechtes Angebot einer quali­fi­zierten präven­tiven und thera­peu­ti­schen Ernäh­rungs­be­ratung und ‑therapie in der Pädiatrie besonders wichtig«, unter­strich die Ernäh­rungs­kom­mission der Deutschen Gesell­schaft für Kinder- und Jugend­me­dizin in einer aktuellen Stellung­nahme in der »Monats­schrift Kinder­heil­kunde«. »Dieses erfordert pädia­trisch geschulte und erfahrene Ernäh­rungs­fach­kräfte in der ambulanten und der statio­nären Versorgung sowie ausrei­chend ausge­stattete multi­dis­zi­plinäre Ernäh­rungs­teams an allen kinder- und jugend­me­di­zi­ni­schen Kliniken.«.

Perso­nalnot und Zeitmangel in den Kinderkliniken

Das Problem dabei: Die Kinder­kli­niken in Deutschland sind einem massiven wirtschaft­lichen Druck ausge­setzt, beklagt die Stiftung Kinder­ge­sundheit. Es herrschen Perso­nalnot und Zeitmangel, es fehlt an Fachper­sonal, Ernäh­rungs­teams und an Geräteausstattung.

Erschwerend kommt hinzu, dass die ernäh­rungs­me­di­zi­nische Diagnostik und Behandlung im Kindes­alter wesentlich zeit- und perso­nal­auf­wen­diger ist als bei erwach­senen Patienten. Der Grund liegt nicht nur in den unter­schied­lichen Krank­heits­bildern, an denen die chronisch kranken Kinder leiden: Der wachsende kindliche Organismus hat besondere Bedürf­nisse, die sich in den verschie­denen Alters- und Entwick­lungs­ab­schnitten drastisch ändern können und deshalb auch in der Ernährung berück­sichtigt werden müssen.

Kinder- und Jugendarzt Professor Berthold Koletzko: »Im Gegensatz zur Ernäh­rungs­be­ratung bei Erwach­senen ist bei Babys, Klein­kindern und Jugend­lichen ein indivi­du­eller und für die jeweilige Alters­gruppe angepasster Ansatz erfor­derlich, der für viele Kinder spezielle Beratungs- und Schulungs­kon­zepte für die Familie benötigt«.

Intensive Schulung zur Auswahl und Zubereitung der Speisen bei kranken Kindern

Die Schulung hat zum Ziel, die zur Behandlung der Krankheit notwendige Ernäh­rungs­weise nicht nur dem betrof­fenen Patienten, sondern auch den Eltern und eventuell weiteren Betreu­ungs­per­sonen im sozialen Umfeld, also zu Hause, in der Schule und in der Freizeit zu erklären. »Oft sind auch praktische Anlei­tungen und Übungen zur Auswahl geeig­neter Lebens­mittel und deren Zubereitung notwendig. Mitunter müssen auch weitere Betreu­ungs­per­sonen, zum Beispiel Erzie­he­rinnen oder Lehrkräfte einbe­zogen werden«, so Professor Koletzko.

Diese zeit- und perso­nal­in­tensive ernäh­rungs­me­di­zi­nische Betreuung von Kindern und Jugend­lichen wird jedoch im System der Fallpau­schalen in deutschen Kliniken nicht ausrei­chend berück­sichtigt. Die Folgen:

• Die Unter­fi­nan­zierung führt zu einem Mangel an pädia­trisch geschulten und erfah­renen Ernährungsfachkräften.

• Für die notwendige Ernäh­rungs­the­rapie bei vielen chroni­schen Krank­heiten des Kindes­alters sind die Abrech­nungs­mög­lich­keiten der Kliniken unzurei­chend oder fehlen sogar gänzlich.

Gezielte Ernährung wirkt wie gute Medizin

»Bei ernäh­rungs­ab­hän­gigen Erkran­kungen im Säuglings‑, Kinder- und Jugend­alter wirkt eine zielge­richtete Ernährung wie gute Medizin«, unter­streicht Professor Berthold Koletzko: »Sie kann das Risiko krank­heits­be­dingter Kompli­ka­tionen und Gesund­heits­schäden reduzieren. Die praktische Umsetzung scheitert jedoch häufig an der Unter­fi­nan­zierung der Kliniken. Auch deshalb begrüßen wir den Vorschlag des Gesund­heits­aus­schusses des Bundes­rates vom November 2020, die derzeit geltenden Fallpau­schalen für die stationäre Kinder- und Jugend­me­dizin grund­legend zu verändern und durch ein kosten­de­ckendes Vergü­tungs­system zu ersetzen«.

Textquelle: Giulia Roggenkamp, Stiftung Kindergesundheit

Bildquelle: »Die Auswir­kungen einer unaus­ge­wo­genen Ernährung sind bei Kindern gravie­render als bei Erwach­senen«, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorsit­zender der Stiftung Kinder­ge­sundheit. »Besonders bei Babys und Klein­kindern wirkt sich ein durch Fehlernährung entste­hendes Unter­ge­wicht nachteilig auf das Längen­wachstum aus, kann die körper­liche und intel­lek­tuelle Reifung hemmen und auch das Immun­system schwächen, mit der Folge von gehäuften Infek­tionen. Die langfristige Gesundheit und Leistungs­fä­higkeit werden nachhaltig beein­trächtigt.« Foto: Curtis Newton, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de