Neuronale Schalt­kreise ›spüren‹ inneren Zustand

Dopamin hilft Tieren wie der Fliege Droso­phila melano­gaster gut und schlecht (symbo­li­siert durch schwarz und weiß) in ihre Entschei­dungen einzu­ordnen. Foto: Nicolas Gompel, TUM

Neuronale Schalt­kreise ›spüren‹ inneren Zustand

Wie Entschei­dungen getroffen und Verhalten gesteuert werden, ist eine der wichtigsten Fragen der Neuro­wis­sen­schaft. Der Boten­stoff Dopamin spielt dabei in unserem Gehirn eine wesent­liche Rolle. Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler der Techni­schen Univer­sität München (TUM) haben zusammen mit Forschenden am Max-Planck-Institut für Neuro­bio­logie die Funktionen von Dopamin beim Entscheiden und bei der Steuerung von Bewegung untersucht.

Lebewesen haben eine angeborene Duft- und Geschmacks­prä­ferenz. Attraktive Düfte sind beispiels­weise mit Nahrung verknüpft. Bei weniger attrak­tiven Düften – zum Beispiel bei verdor­benen Speisen – weiß ein Lebewesen instinktiv: »Hier könnte Gefahr drohen!«. Auch beim Geschmack haben alle Lebewesen ähnliche Präfe­renzen: Zucker und Fette werden positiv wahrge­nommen, ein bitterer Geschmack eher negativ.

Um solche Bewer­tungen machen zu können brauchen wir Signale im Gehirn, die uns sagen: »Das ist gut!« oder »Das ist schlecht!« Eine wichtige Rolle bei diesen Bewer­tungen spielt das dopami­nerge System im Gehirn, besser bekannt als Belohnungssystem.

Wirkung von Dopamin weiter aufklären

Dopamin gehört zu den am inten­sivsten unter­suchten Signalen im Gehirn. Es ist sowohl in kognitive (z. B. Motivation, Verstärkung, zielori­en­tiertes Verhalten, motorische Kontrolle und Bewegung, Entschei­dungs­findung und Lernen) als auch in grund­le­gendere Funktionen (z. B. Fortpflanzung und Übelkeit) involviert.

Wie Dopamin zu den verschie­denen Aspekten der Funktion und des Verhaltens der neuro­nalen Schalt­kreise beiträgt, ist eine offene Frage, aber es wird vermutet, dass dopami­nerge Neurone durch unter­schied­liche Aktivi­täts­muster dem Gehirn signa­li­sieren, was der Organismus braucht und empfindet. »Wir haben nun die Aktivität der dopami­nergen Neuronen genauer unter­sucht«, sagt Ilona Grunwald Kadow. Das Team entwi­ckelte dafür eigens eine neue 3D-Bildge­bungs­me­thode basierend auf der in-vivo-Kalzium-Bildgebung, da Kalzium ein guter Indikator für neuronale Aktivität ist.

Prof. Dr. Ilona Grunwald Kadow forscht mit ihrem Team an der Fliege Droso­phila melano­gaster, um mehr über die Vorgänge im Gehirn zu erfahren. Sie ist Profes­sorin für Neuronale Kontrolle des Metabo­lismus an der TUM School of Life Sciences am Standort Weihen­stephan. Foto: A. Eckert / TUM
Neuronen reagieren flexibel und individuell

Mit Hilfe dieser Methode konnte das Forschungsteam zeigen, dass die gemeinsame Aktivität von einem Netzwerk an dopami­nergen Neuronen sowohl die angeborene Geruchs- oder Geschmacks­prä­ferenz als auch den physio­lo­gi­schen Zustand des Organismus widerspiegelt.

Neben senso­ri­schen Reizen wie Gerüchen oder Geschmack nehmen dopami­nerge Neuronen auch die Infor­mation auf, ob ein Lebewesen in Bewegung ist oder nicht. Die Neuronen können auf innere Verhal­tens­zu­stände und äußere Signale reagieren, sie zusam­men­fügen und damit sowohl kognitive als auch motorische Prozesse unterstützen.

»Dabei können die Neuronen flexibel und indivi­duell auf die wichtigsten Infor­ma­tionen – etwa Duft, Geschmack, aber auch Hunger oder die eigene Bewegung – reagieren. Das ist für eine ausge­wogene Entscheidung wichtig, denn ein äußeres Signal kann je nach Zustand mal gut oder auch mal schlecht bedeuten«, so Prof. Grunwald Kadow.

Überrascht hat die Forschenden, dass sich dopami­nerge Neuronen von Tier zu Tier recht unter­schiedlich verhalten. Eventuell ließen sich so indivi­duelle Präferenz- und Verhal­tens­un­ter­schiede von Individuen erklären, speku­lieren die Wissenschaftler.

Zudem zeigte sich, dass die Bewegung des Tieres nicht nur diese dopami­nergen Neurone aktiviert, sondern auch andere Bereiche des Hirns, die eigentlich nichts per se mit Bewegung zu tun haben. Hieraus ergeben sich Ansatz­punkte für weitere Forschungen, zum Beispiel dazu, welche Rolle Bewegung für allge­meine Hirnak­ti­vität spielt.

Origi­nal­pu­bli­kation: Siju et al.: »Valence and state-dependent population coding in dopami­nergic neurons in the fly mushroom body« DOI: 10.1016/j.cub.2020.04.037 Current Biology: https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(20)30551–0

Textquelle: Presse­stelle, Technische Univer­sität München

Bildquelle: (oben) Dopamin hilft Tieren wie der Fliege Droso­phila melano­gaster gut und schlecht (symbo­li­siert durch schwarz und weiß) in ihre Entschei­dungen einzu­ordnen. Foto: Nicolas Gompel, TUM

Bildquelle: (unten) Prof. Dr. Ilona Grunwald Kadow forscht mit ihrem Team an der Fliege Droso­phila melano­gaster, um mehr über die Vorgänge im Gehirn zu erfahren. Sie ist Profes­sorin für Neuronale Kontrolle des Metabo­lismus an der TUM School of Life Sciences am Standort Weihen­stephan. Foto: A. Eckert / TUM