Neues Gen für männliche Infer­ti­lität entdeckt

Die Gesichter hinter der Forschung: Arbeits­grup­pen­leiter Prof. Dr. Frank Tüttelmann, Dr. Margot Wyrwoll (M.) und Dr. Corinna Friedrich. Foto: Nadja Rotte

Neues Gen für männliche Infer­ti­lität entdeckt

Männliche Infer­ti­lität beschäftigt nicht nur die Betrof­fenen, sondern auch das Team um Prof. Dr. Frank Tüttelmann der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­sität Münster. Die Arbeits­gruppe Repro­duk­ti­ons­ge­netik erforscht mögliche Ursachen für männliche Unfrucht­barkeit. Die neuesten Ergeb­nisse wurden jetzt in der Fachzeit­schrift »American Journal of Human Genetics« veröffentlicht.
Histo­logie – Querschnitt durch den Hoden eines Mannes mit normaler Spermi­en­bildung (A) und eines Mannes mit M1AP-Mutation (B). Grafik: Nadja Rotte

Störung bei der Spermi­en­bildung: Männliche Unfrucht­barkeit beschäftigt nicht nur die Betrof­fenen, sondern auch das Team um Prof. Dr. Frank Tüttelmann. Mit einer Vielzahl unter­schied­licher Projekte versucht die Arbeits­gruppe (AG) Repro­duk­ti­ons­ge­netik der Medizi­ni­schen Fakultät der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­sität Münster (WWU) weiteren Ursachen für männliche Unfrucht­barkeit (Infer­ti­lität) auf den Grund zu gehen. Die jüngste Erkenntnis: Die Identi­fi­zierung eines neuen Gens namens M1AP, das als relevante Ursache für männliche Zeugungs­un­fä­higkeit angesehen wird. Die Ergeb­nisse dieser Forschung, die unter der Leitung von Frank Tüttelmann, Corinna Friedrich und Margot Wyrwoll entstanden sind, wurden jetzt in der Fachzeit­schrift »American Journal of Human Genetics« veröf­fent­licht – sie stellen einen wichtigen Fortschritt in der Aufklärung männlicher Infer­ti­lität dar.

Während der zwei Jahre dauernden Forschungs­ar­beiten ist es der AG Repro­duk­ti­ons­ge­netik unter anderem gelungen, eine spezi­fische Mutation in M1AP nachzu­weisen, die vermutlich auf einen gemein­samen Vorfahren der europäi­schen Bevöl­kerung zurück­zu­führen ist. Auf der Basis von DNA-Sequen­zie­rungs­daten von annähernd 2.000 unfrucht­baren männlichen Patienten, hat die Arbeits­gruppe vier Patienten aus Münster, fünf Mitglieder einer Familie aus der Türkei, zwei Fälle aus Portugal und je einen Patienten aus Gießen, Nimwegen und Newcastle ausfindig machen können, bei denen verschiedene Mutationen im M1AP-Gen nachge­wiesen werden konnten.

Die geneti­schen Verän­de­rungen konnten dabei auf beiden elter­lichen Genkopien gefunden werden. Konkret bedeutet das, dass der Betroffene die Genver­än­derung sowohl von mütter­licher als auch väter­licher Seite geerbt hat – die Mediziner gehen daher von einem autosomal-rezes­siven Erbgang aus. Somit reprä­sen­tieren Mutationen in M1AP eine relativ häufige Ursache für eine schwer­wie­gende Störung der Spermi­en­bildung und männlicher Infer­ti­lität mit starker klini­scher Validität. M1AP erreicht damit ein hohes Evidenz­level – das ist in der Genetik eine außer­ge­wöhn­liche Leistung.

Zurzeit besteht noch nicht die Möglichkeit einer Behandlung dieser Patienten, um die Chancen, Kinder zeugen zu können, signi­fikant zu steigern. Selbst die Entnahme von Hoden­bi­opsien, aus denen man in der Regel reife Spermien entnehmen und diese für künst­liche Befruchtung nutzen könnte, führt nicht zu dem Erfolg einer Schwan­ger­schaft – denn die Wahrschein­lichkeit, Spermien im Hoden zu finden, ist bei diesen Patienten sehr gering. Trotzdem stellen die Ergeb­nisse des WWU-Forschungs­teams zu M1AP einen Fortschritt in der Ursachen­auf­klärung männlicher Infer­ti­lität dar: Den Patienten eine Erklärung für das Ausbleiben einer natür­lichen Schwan­ger­schaft zu liefern, ist für die meisten Paare ein hilfreicher erster Schritt. Weiterhin lässt sich dadurch die genetische und repro­duktive Beratung von Mann und Frau verbessern und erhöhen. Die Sequen­zierung des M1AP-Gens wird deshalb unmit­telbar in die zukünftige genetische Routi­ne­dia­gnostik integriert.

Origi­nal­pu­bli­kation:

M. J. Wyrwoll et al. (2020): Bi-allelic Mutations in M1AP Are a Frequent Cause of Meiotic Arrest and Severely Impaired Sperma­to­ge­nesis Leading to Male Infer­tility. American Journal of Human Genetics; DOI: https://doi.org/10.1016/j.ajhg.2020.06.010

Textquelle: Dr. Kathrin Kottke, Westfä­lische Wilhelms-Univer­sität Münster

Bildquelle: Histo­logie – Querschnitt durch den Hoden eines Mannes mit normaler Spermi­en­bildung (A) und eines Mannes mit M1AP-Mutation (B). Grafik: Nadja Rotte

Bildquelle: Die Gesichter hinter der Forschung: Arbeits­grup­pen­leiter Prof. Dr. Frank Tüttelmann, Dr. Margot Wyrwoll (M.) und Dr. Corinna Friedrich. Foto: Nadja Rotte