Neue Lösungen für die medizi­nische Bildgebung

Echtzeit Farb-SWIR-Bildgebung von Gefäßen (rot) und Lymph­bahnen (grün). Foto: Helmholtz Zentrum München.

Neue Lösungen für die medizi­nische Bildgebung

In einer gemein­samen Studie haben Forschende des Helmholtz Zentrums München und der UCLA in Los Angeles neue Lösungen für die nicht-invasive medizi­nische Bildgebung entwi­ckelt. Dabei werden unter­schied­liche Struk­turen wie Blutgefäße mehrfarbig und in Echtzeit sichtbar. Der neue Ansatz, basierend auf einer Techno­logie, die in der Industrie bereits weitläufig genutzt wird, ermög­licht die Beobachtung zahlreicher Parameter (Multi­plexing). Klinische Anwen­dungen könnten künftig davon profitieren.

Die medizi­nische Bildgebung ist die Grundlage vieler Diagno­se­ver­fahren sowie der bildge­führten Chirurgie. Am wachen (also nicht-betäubten) Körper wird die Bildgebung zur Heraus­for­derung, da Bewegungen die Qualität des Bildes mindern. Bisher gibt es noch keinen Ansatz, der verschiedene Leistungs­kri­terien wie Echtzeit-Bildgebung, Multi­plexing, hohe Gewebe­durch­dringung und Auflösung vereint, und so eine nicht-invasive Bildgebung inklusive der Unter­scheid­barkeit verschie­dener Struk­turen (z.B. Nerven und Blutgefäße) möglich macht.

Auf der Suche nach einer besseren Lösung

In indus­tri­ellen Bereichen (bspw. Wehrtechnik und Astro­nomie) kommen bildge­bende Verfahren im kurzwel­lig­in­fra­roten Bereich (shortwave infrared), kurz SWIR-Imaging, bereits zum Einsatz. Da SWIR im klini­schen Umfeld bisher kaum erforscht wurde, widmeten sich Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler unter Leitung des Bioche­mikers Dr. Oliver Bruns in München und der Chemi­kerin Ellen Sletten in Los Angeles den Möglich­keiten dieser Methode.

Echtzeit Farb-SWIR-Bildgebung einer Maus mit Gefäßen (rot), Bauchraum (blau) und Leber und Darm (grün). Foto: Helmholtz Zentrum München

 

»SWIR bietet eine höhere Auflösung und größere Gewebe­durch­dringung als der Nahin­fra­rot­be­reich. Außerdem ist SWIR in einem größeren Wellen­län­gen­be­reich, der es ermög­licht, mehrere Kanäle neben­ein­ander zu detek­tieren. Diese Vorteile wollten wir auch für die medizi­nische Bildgebung nutzen«, Ellen Sletten, Profes­sorin für Chemie und Biochemie an der UCLA und eine der Leite­rinnen der Studie. »Wir gingen davon aus, dass sich diese Eigen­schaften für die gleich­zeitige Überwa­chung mehrerer Parameter als entscheidend erweisen könnten.«

Die Möglich­keiten des neuen Systems

Die Forschenden entwi­ckelten und synthe­ti­sierten neue Farbstoffe und charak­te­ri­sierten ihre photo­phy­si­ka­li­schen Eigen­schaften, die auf ihre Fähigkeit zur Echtzeit-Multiplex-Anregung im Nahin­frarot- und im SWIR-Bereich hindeu­teten. Dann entwi­ckelten sie ein neues SWIR-Bildge­bungs­system mit drei Lasern und einer Kamera und konnten damit in vivo mehrfarbige Filme in Echtzeit aufnehmen. Darüber hinaus erzeugten sie Bilder, auf denen Lymph­gefäße klar von Venen und Arterien zu unter­scheiden sind, und konnten somit deren Funktion beobachten. Das neue System ist auch schnell genug, um Bilder bei wachen und aktiven Mäusen aufzu­nehmen. Darüber hinaus führte die Forschungs­gruppe mithilfe des Echtzeit-Feedbacks eine bildge­führte Operation bei Mäusen durch.

»Die Fähigkeit, nah zusam­men­lie­gende Gewebe wie Lymph- und Blutkreis­lauf­struk­turen vonein­ander zu unter­scheiden und gleich­zeitig ihre Funktion zu überwachen, hat Auswir­kungen auf die nicht-invasive Diagnostik sowie auf die Weiter­ent­wicklung der Techno­logie für die fluores­zenz­ge­führte Chirurgie«, ergänzt Emily Cosco, die sowohl am Helmholtz Zentrum München als auch an der UCLA für diese Studie forschte.

Derzeit arbeitet die Gruppe am Helmholtz Pioneer Campus mit Exper­tinnen und Experten aus Medizin und Chirurgie in Stanford, München und Köln zusammen, um die neue Techno­logie baldmög­lichst in die klinische Anwendung zu bringen. Der Fokus liegt dabei auf der Behandlung von Krebs und Entzündungskrankheiten.

Ausblick: Künftige Anwendungen

Oliver Bruns, Studi­en­leiter und Principal Inves­ti­gator am Helmholtz Pioneer Campus des Helmholtz Zentrums München sagt: »Unser System hat das Potenzial, medizi­nische Anwen­dungen zu verbessern. Als Nächstes müssen wir daran arbeiten, wie genau wir die Techno­logie aus dem Labor rein in die Kliniken bringen können. Großes Potenzial sehen wir in der intra­ope­ra­tiven Bildgebung. Es ist natürlich noch ein weiter Schritt um genau sagen zu können, welche opera­tiven Eingriffe von SWIR profi­tieren könnten. Aber die Möglichkeit, Struk­turen in mehreren Farben vonein­ander zu unter­scheiden, könnte für das Entfernen von Tumoren sehr hilfreich sein.«

Origi­nal­pu­bli­kation:

Cosco et al., 2020: Shortwave infrared polyme­thine fluoro­phores matched to excitation lasers enable nonin­vasive, multi­color in vivo imaging in real time. Nature Chemistry, DOI: 10.1038/s41557-020–00554‑5

Textquelle: Verena Schulz, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungs­zentrum für Gesundheit und Umwelt

Bildquelle: (oben) Echtzeit Farb-SWIR-Bildgebung von Gefäßen (rot) und Lymph­bahnen (grün). Foto: Helmholtz Zentrum München.

Bildquelle: (unten) Echtzeit Farb-SWIR-Bildgebung einer Maus mit Gefäßen (rot), Bauchraum (blau) und Leber und Darm (grün). Foto: Helmholtz Zentrum München