Neue Krebs­dia­gnostik: 3D-Blick in den Tumor

Blick in den Tumor im Ultramikroskop. Foto: TU Wien

Blick in den Tumor im Ultra­mikroskop. Foto: TU Wien

Neue Krebs­dia­gnostik: 3D-Blick in den Tumor

Bisher analy­sierte man Tumore nur anhand dünner Schnitte. An der TU Wien in Zusam­men­arbeit mit der TU München wurde nun eine Technik entwi­ckelt, die erstmals ganze Stücke des Tumors in 3D sichtbar macht.

Nach einer Krebs­ope­ration ist die entschei­dende Frage: Sind mögli­cher­weise Krebs­zellen zurück­ge­blieben, die weiter­wachsen können, oder wurde tatsächlich der gesamte Tumor entfernt? Um das heraus­zu­finden, wird der Tumor in der Patho­logie unter­sucht. Bisher fertigte man dünne Schnitte an, die dann unter dem Mikroskop analy­siert wurden. Eine neue Technik, entwi­ckelt an der TU Wien, gemeinsam mit der TU München, soll nun eine Revolution in der Patho­logie einleiten: Es gelang, Tumor­gewebe durch­sichtig zu machen und mit einem spezi­ellen Ultra­mikroskop zu durch­leuchten. So kann man ganz ohne Schnitt das gesamte entnommene Gewebe in 3D analy­sieren. Die Zuver­läs­sigkeit der Diagnose soll dadurch deutlich gesteigert werden. Die neue Technik wurde nun im Fachjournal »Nature scien­tific reports« veröffentlicht.

»Unter dem Mikroskop kann man sehen, ob der entfernte Tumor von einem Saum gesunden Gewebes umgeben ist«, sagt Prof. Hans Ulrich Dodt vom Institut für Festkör­per­elek­tronik der TU Wien. »Man sagt dann, der Tumor wurde im Gesunden entfernt. Ist das der Fall, muss sich die Patientin oft nur noch erholen. Ist es nicht so, muss eventuell nachope­riert oder zusätzlich bestrahlt werden. Besonders nach Brust­krebs­ope­ra­tionen kommt das immer wieder vor.

Das Problem dabei ist, dass man auf diese Weise niemals den gesamten Tumor vollständig unter­suchen kann. »Üblicher­weise wird alle fünf Milli­meter ein ungefähr 4 Mikro­meter dicker Schnitt entnommen. Das bedeutet, dass nur etwa ein Tausendstel des gesamten Tumor­vo­lumens auch tatsächlich unter­sucht wird.« In kriti­schen Bereichen können die Dünnschnitte auch enger gelegt werden, aber das gesamte Gewebe kann auf diese Weise nicht erfasst werden.

Im Ultra­mikroskop: Tumor vom Licht­blatt durch­leuchtet. Foto: TU Wien
Durch­sich­tiges Gewebe: Ultramikroskopie

Mit Hilfe einer spezi­ellen Technik, der sogenannten Ultra­mikro­skopie, ist es nun aber möglich, den ganzen Tumor dreidi­men­sional sichtbar zu machen – daran arbeitete Inna Sabdy­usheva im Rahmen ihrer Disser­tation (univer­si­täts­über­greifend, an der TU Wien und dem Zentrum für Hirnfor­schung der MedUni Wien). Sie entwi­ckelte ein chemi­sches Verfahren, mit dem man Brust­krebs-Proben »klären« kann – sie werden durch­sichtig, die Struktur bleibt aber unver­ändert, und die Krebs­zellen sind nach wie vor zu erkennen.

Die trans­pa­rente Probe wird dann in einem Ultra­mikroskop durch­leuchtet. Ein sogenanntes »Licht­blatt«, eine dünne Schicht aus Laser­strahlen, durch­dringt das Gewebe. Damit wird die Probe Schicht für Schicht analy­siert, und am Computer lassen sich dann beliebige Schnitte durch den Tumor anzeigen, obwohl er selbst niemals zerschnitten wurde. So gelingen Einblicke, die bisher unmöglich waren: In manchen Gewebe­proben konnte man etwa Milch­gänge erkennen, die mit Krebs­zellen verstopft waren.

Das chemische Verfahren, auf der Inna Sabdy­us­hevas Arbeit beruht, wurde an der TU Wien von Klaus Becker entwi­ckelt. Eine spezielle Optik, mit der sich besonders lange und dünne Licht­blätter erzeugen lassen, war in derselben Arbeits­gruppe von Saideh Saghafi konstruiert worden. Für die aktuelle Arbeit war das entscheidend – die Auflösung dieses Mikro­skopie-Verfahrens hängt davon ab, wie dünn das Licht­blatt ist.

Die Unter­su­chungen wurden in enger Zusam­men­arbeit mit dem Patho­lo­gi­schen Institut der TU München durch­ge­führt, von dem auch die meisten Tumor­stücke von Brust­krebs­ope­ra­tionen zur Verfügung gestellt wurden. Von der Klinik für Chirurgie des AKH Wien kamen auch Stücke von anderen Tumorarten.

Revolution in der Pathologie

»Wir sind davon überzeugt, dass diese Methode die Patho­logie revolu­tio­nieren wird«, sagt Hans- Ulrich Dodt. »In kürzerer Zeit als bisher kann eine größere Verläss­lichkeit bei den Unter­su­chungen erzielt werden. Außerdem dürfte die neue 3D-Methode in Zukunft auch ganz neue Einblicke in die Krebs­ent­wicklung erlauben.« Da es jetzt erstmals möglich ist, die Ausbreitung von Krebs­zellen in mensch­lichen Opera­ti­ons­prä­pa­raten dreidi­men­sional darzu­stellen, dürfte auch das Verständnis der Tumor­bio­logie wesent­liche Fortschritte machen.

Die neue 3D-Tumor­mi­kro­skopie soll die Arbeit in der Patho­logie wesentlich erleichtern. »Anstatt eine große Anzahl histo­lo­gi­scher Schnitte unter dem Mikroskop zu inspi­zieren wird man in der Patho­logie in Zukunft ähnlich wie in der Radio­logie am Bildschirm mit der Maus durch die Bilder scrollen können«, sagt Hans-Ulrich Dodt. Die gewaltige Menge an Bilddaten, die dabei entsteht, eröffnet zusätzlich ganz neue Chancen im Bereich der künst­lichen Intel­ligenz, glaubt Dodt: »Vielleicht könnten so in Zukunft deren Programme die Tumor­dia­gnostik beschleu­nigen und vereinfachen.«

Origi­nal­pu­bli­kation:

I. Sabdy­usheva Litschauer et al., 3D histopa­thology of human tumours by fast clearing and ultra­mi­cro­scopy, Scien­tific Reports 10, 17619 (2020). https://www.nature.com/articles/s41598-020–71737‑w

Textquelle: Dr. Florian Aigner, Technische Univer­sität Wien

Bildquelle: (oben) Blick in den Tumor im Ultra­mikroskop. Foto: TU Wien

Bildquelle: (unten) Im Ultra­mikroskop: Tumor vom Licht­blatt durch­leuchtet. Foto: TU Wien