Neue Infek­ti­ons­studie in Neuhaus am Rennweg

Neue Infek­ti­ons­studie in Neuhaus am Rennweg

Unter Führung des Unikli­nikums Jena wird der Ausbruch des SARS-CoV‑2 in Neustadt am Rennsteig seit 13. Mai 2020 wissen­schaftlich unter­sucht. Der 1000-Einwohner-Ort im südlichen Ilm-Kreis stand ab dem 22. März 2020 für zwei Wochen unter Quarantäne, weil es dort im Vorfeld ein erhöhtes Infek­ti­ons­auf­kommen mit vielen Kontakt­per­sonen gab. Am Ende der Quarantäne waren 49 Infek­tionen mit dem neuar­tigen Corona­virus bekannt, zwei davon verstarben.

von Mathias Pletz, Annett Lott (UKJ)

Ein zehnköp­figes Wissen­schaftsteam unter der Leitung von Professor Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infek­ti­ons­me­dizin und Kranken­haus­hy­giene am UKJ, wird nun ab 13. Mai 2020 unter­suchen, inwiefern es zusätzlich zu den bereits bekannten 49 Fällen auch nicht bemerkte, asympto­ma­tische Verläufe gab und, ob sich eine Immunität im Ort ausge­bildet hat. Das Besondere an der Situation in Neustadt: es sollen Daten von allen Alters­gruppen von jung bis alt, Menschen mit und ohne Vorer­kran­kungen, Familien- und Single­haus­halte, erhoben werden. Das Land Thüringen hat die Finan­zierung der Studie zugesi­chert. Sie soll möglichst über das „Sonder­ver­mögen Corona“ erfolgen. Die Letzt­ent­scheidung über den Sonder­fonds liegt beim Thüringer Landtag. Stark gemacht für die Studie hatte sich insbe­sondere die Landrätin des Ilm-Kreises, Petra Enders.

Das wird getestet

Die Wissen­schaftler möchten von den Neustäd­te­rinnen und Neustädtern vor allem drei Dinge erheben:

  • Mit Frage­bögen und Einzel­in­ter­views möchten sie Einzel­heiten zur Sympto­matik und möglichen Exposition mit dem Virus, beispiels­weise bei Veran­stal­tungen, heraus­finden. Zudem stehen auch psycho­so­ziale Kompo­nenten im Vorder­grund, also die Frage, wie sich die Menschen während der Quarantäne gefühlt haben.
  • Blutent­nahmen erlauben die Testung von Antikörpern und die Unter­su­chung von spezi­fi­schen Abwehrzellen.
  • Mit Abstrichen soll gezeigt werden, dass das Virus nicht mehr im Dorf zirkuliert.

Von der weithin bekannten Heinsberg-Studie – im nordrhein­west­fä­li­schen Landkreis war deutsch­landweit der erste Corona-Hotspot – unter­scheidet sich die Studie in Neustadt vor allem in folgenden Punkten:

  • Das wissen­schaft­liche Team um Mathias Pletz unter­sucht den gesamten Ort.
  • Insbe­sondere werden auch Kinder getestet. Dafür ist eigens ein Kinderarzt mit vor Ort.
  • Zudem unter­scheidet sich die Methodik der Testver­fahren: So werden mehrere Testver­fahren pro Patient angewendet, um eine mögliche Immunität gegen das Corona­virus sicher zu ermitteln.

Nach den Befra­gungen und Tests erfolgen Labor­un­ter­su­chungen und ‑auswer­tungen. Dies wird einige Monate in Anspruch nehmen, mit ersten Ergeb­nissen rechnen die UKJ-Experten aber noch in diesem Jahr.

Gemeinsam stark

Eine so groß angelegte Studie ist nur gemeinsam möglich, durch die Koope­ration vieler Betei­ligter. „Wir sind zuallererst einmal den Bewohnern von Neustadt am Rennsteig und Bürger­meister Dirk Mache­leidt sehr dankbar, dass sie bereit sind, an der Studie teilzu­nehmen. Das ist keines­falls selbst­ver­ständlich“, so Mathias Pletz. „Uns alle eint das Bedürfnis, so viel wie möglich über das neuartige Corona­virus heraus­zu­finden. Eine einzig­artige Situation wie in Neustadt kann hierbei so wertvolle Erkennt­nisse liefern, dass wir diese Chance nicht ungenutzt lassen sollten“, so der UKJ-Experte weiter. „Ich bin überzeugt, wir werden gemeinsam unheimlich viel dazu beitragen, das Virus besser zu verstehen“, bedankt sich Pletz.

„Von der Studie erwarten wir uns einen nachhal­tigen Beitrag zur Forschungs­de­batte über COVID-19“, sagte Thüringens Wissen­schafts­mi­nister Wolfgang Tiefensee. „Um die Corona-Krise erfolg­reich zu bewäl­tigen, brauchen wir fundierte Erkennt­nisse über die Ausbrei­tungswege des Virus, Krank­heits­ver­läufe und mögliche Immuni­täten nach überstan­dener Erkrankung.“ Das Wissen­schafts­mi­nis­terium hatte deshalb frühzeitig eine Finan­zierung des Vorhabens zugesagt. Für das Corona-Sonder­ver­mögen, über das der Landtag voraus­sichtlich in diesem Monat entscheiden werde, seien deshalb 500.000 Euro angemeldet worden.

Textquelle: Prof. Mathias Pletz, Annett Lott Univer­si­täts­kli­nikum Jena

Bildquelle: Dr. Sebastian Weis nimmt Blutproben von Neustädter Bürgern aus einer Zentrifuge. Zweimal täglich werden die Proben ans UKJ gebracht. Foto: M. Hoppert/UKJ