Implantate: Lassen sich OP-Kompli­ka­tionen verringern?

Aufnahmen von Makro­phagen (rot), in denen der Wirkstoff (grün) verteilt ist. Links ist der Wirkstoff Heparin zu sehen, rechts Hyalu­ron­säure. Foto: Hala Al Khoury / Uni Halle

Implantate: Lassen sich OP-Kompli­ka­tionen verringern?

Neue Beschich­tungen auf Implan­taten könnten dabei helfen, diese verträg­licher zu machen. Forsche­rinnen und Forscher der Martin-Luther-Univer­sität Halle-Wittenberg (MLU) haben ein Verfahren entwi­ckelt, um entzün­dungs­hem­mende Stoffe auf die Implantate zu bringen und so unerwünschte Entzün­dungs­re­ak­tionen im Körper zu hemmen. Ihre Studie erschien kürzlich im »Inter­na­tional Journal of Molecular Sciences«.

Implantate, wie Herzschritt­macher oder Insulin­pumpen, gehören zum medizi­ni­schen Tages­ge­schäft. Doch nicht selten kommt es nach der Operation zu Kompli­ka­tionen: Das Immun­system erkennt das Implantat als Fremd­körper und versucht, dieses abzustoßen. »An sich ist das eine ganz natür­liche und nützliche Reaktion des Immun­systems«, sagt der Biophy­siker Prof. Dr. Thomas Groth von der MLU. Sie hilft bei der Wundheilung und tötet schäd­liche Keime ab. Klingt diese Reaktion nach einigen Wochen nicht von selbst ab, kann es zu einer chroni­schen Entzündung und zu schwer­wie­gen­deren Kompli­ka­tionen kommen. »Das Immun­system lockt dann verschiedene Zellen an, die versuchen, den Fremd­körper abzustoßen oder zu isolieren. Dazu gehören zum Beispiel Makro­phagen, die sogenannten Fress­zellen, und weitere Arten von weißen Blutkör­perchen, sowie Binde­ge­webs­zellen«, erklärt Groth. So könne es passieren, dass ein Implantat mit Binde­gewebe verkapselt wird, was für die Betrof­fenen sehr schmerzhaft sein kann. Das Implantat kann dann zudem nicht mehr seine eigent­liche Funktion ausüben. Häufig kommen für die Behandlung einer chroni­schen Entzündung Medika­mente zum Einsatz, die die Immun­re­aktion unterdrücken.

Das Team von Thomas Groth suchte daher nach einem einfachen Weg, das Immun­system schon im Vorfeld gewis­ser­maßen zu drosseln. »Das ist eine knifflige Angele­genheit, denn wir wollen das Immun­system natürlich nicht komplett ausschalten, weil die Prozesse für die Wundheilung und das Abtöten von Keimen wichtig sind. Wir wollen es also eigentlich nur modulieren«, sagt der Forscher. Hierfür entwi­ckelte sein Team eine neue Beschichtung für Implantate, die entzün­dungs­hem­mende Stoffe enthält. Das Team nutzte dafür zwei Stoffe, von denen bereits bekannt ist, dass sie entzün­dungs­hemmend wirken: Heparin und Hyaluron-Säure.

Im Labor behan­delten die Wissen­schaftler eine Oberfläche mit den beiden Materialien, indem sie eine wenige Nanometer dicke Schicht darauf auftrugen. »Die Schicht ist so dünn, dass sie die Funktion des Implantats nicht beein­trächtigt. Sie muss aber so viel Wirkstoff enthalten, dass die Reaktion des Immun­systems so lange kontrol­liert wird, bis die Entzün­dungs­re­aktion abgeklungen ist«, so Groth weiter. In Zellver­suchen konnten die Forscher beobach­teten, wie die beiden Stoffe von den Makro­phagen aufge­nommen wurden und so die Entzündung in den Zellproben verrin­gerten, wohin­gegen unbehan­delte Zellen deutliche Anzeichen für eine ausge­prägte Entzün­dungs­re­aktion zeigten. Der Grund dafür ist, dass die Wirkstoffe in den Makro­phagen einen bestimmten Signalweg behindern, der maßgeblich für die Immun­antwort und den Zelltod ist. »Sowohl Heparin als auch die Hyaluron-Säure verhindern die Ausschüttung bestimmter Boten­stoffe, die norma­ler­weise entzün­dungs­för­dernd sind. Heparin zeigt dabei eine noch höhere Wirksamkeit, weil es von Makro­phagen-Zellen aufge­nommen werden kann«, fasst Groth zusammen.

Bisher haben die Forscher das Verfahren nur auf Modell­ober­flächen und in Zellkul­turen erprobt. Weitere Studien an echten Implan­taten und in Modell­or­ga­nismen sollen folgen.

Origi­nal­pu­bli­kation: Alkhoury H. et al. Studies on the Mecha­nisms of Anti-Inflamm­atory Activity of Heparin- and Hyalu­ronan-Containing Multi­layer Coatings-Targeting NF-kB Signaling Pathway. Inter­na­tional Journal of Molecular Sciences (2020). doi: 10.3390/ijms21103724

Textquelle: Tom Leonhardt, Martin-Luther-Univer­sität Halle-Wittenberg

Bildquelle: Aufnahmen von Makro­phagen (rot), in denen der Wirkstoff (grün) verteilt ist. Links ist der Wirkstoff Heparin zu sehen, rechts Hyalu­ron­säure. Foto: Hala Al Khoury / Uni Halle