Entzün­dungs­hemmer senken Infektions-Risiko

Testperson am Uni-Klinikum Erlangen – ihr Blut wird anschließend auf Corona-Antikörper getestet. Foto: SIMOarts.com

Entzün­dungs­hemmer senken Infektions-Risiko

Die über 2.000 Teilnehmer umfas­sende Corona-Antikör­per­studie des Deutschen Zentrums Immun­the­rapie (DZI) am Univer­si­täts­kli­nikum Erlangen wurde nun im renom­mierten wissen­schaft­lichen Journal »Nature Commu­ni­ca­tions« veröf­fent­licht. Die Wissen­schaftler des DZI haben bereits sehr früh mit Antikör­per­tests gegen das neue Corona­virus begonnen, da viele Patienten mit Erkran­kungen wie Arthritis, Darment­zün­dungen oder Schup­pen­flechte mit Medika­menten behandelt werden, die in Entzün­dungs­pro­zesse und damit auch in das Immun­system eingreifen. Daher bestand Sorge, dass diese Patienten sehr empfindlich auf das neue Corona­virus reagieren. Die Erlanger Forscher unter­suchten Probanden auf klinische Zeichen von Atemwegs­in­fekten, befragten sie zum Kontakt mit Infizierten und testeten sie auf Antikörper gegen das Corona­virus. Gleich­zeitig wurde im Rahmen der Erlanger Corona-Antikör­per­studie auch eine große Zahl gesunder Probanden untersucht.

»Wir fanden heraus, dass die Häufigkeit einer Infektion mit dem neuen Corona­virus in der Normal­be­völ­kerung in Bayern derzeit 2,2 Prozent beträgt«, sagt Studi­en­leiter Prof. Dr. med. univ. Georg Schett, einer der beiden Sprecher des DZI und Direktor der Medizi­ni­schen Klinik 3 – Rheuma­to­logie und Immuno­logie des Uni-Klinikums Erlangen. »Dies ist ein vergleichs­weise niedriger Wert und vermutlich dem strikten Einhalten der Hygie­ne­maß­nahmen sowie der erfolg­reichen frühen ‚Lockdown‘-Politik in Bayern geschuldet. Inter­es­san­ter­weise zeigen unsere Ergeb­nisse aber auch, dass neun von zehn Infek­tionen mit dem Corona­virus unter­schwellig und ohne größere Symptome verlaufen. Hierbei ist zu bedenken, dass die Häufigkeit bestä­tigter diagnos­ti­zierter COVID-19-Fälle in Bayern mit 0,3 Prozent bei nur ca. einem Zehntel der Infek­ti­onsrate unserer Corona-Antikör­per­studie liegt.«

»Hinsichtlich ihrer Sympto­matik zeigten viele Menschen, die Kontakt mit dem neuen Corona­virus hatten, Zeichen von Atemwegs­sym­ptomen, die sich grund­sätzlich nicht von anderen Atemwegs­in­fekten unter­schieden«, geben Dr. David Simon und Dr. Koray Tascilar von der Medizin 3 des Uni-Klinikums Erlangen zu bedenken. Da Atemwegs­in­fekte sehr häufig sind und nur ein geringer Teil von ihnen tatsächlich auf das neue Corona­virus zurück­zu­führen ist, ist es von beson­derer Wichtigkeit, solche Symptome angemessen abzuklären und gegebe­nen­falls eine Virus­testung durch­zu­führen. Geruchs­verlust stellt hier mögli­cher­weise eine Ausnahme dar, denn diese Sympto­matik zeigte sich bei Menschen mit Antikörpern gegen das neue Corona­virus deutlich häufiger.

Was aber passiert, wenn Menschen entzün­dungs­hem­mende Medika­mente für chronische Erkran­kungen wie Arthritis, entzünd­liche Darmer­kran­kungen oder Schup­pen­flechte einnehmen? In diesem Fall lag ursprünglich der Verdacht nahe, dass diese Menschen empfind­licher gegenüber Infek­tionen mit dem neuen Corona­virus sind. »Dem ist aber nicht so!«, führen Prof. Dr. Markus F. Neurath, DZI-Sprecher und Direktor der Medizi­ni­schen Klinik 1, und Prof. Dr. Raja Atreya, Oberarzt am DZI aus. »Patienten mit Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa, die Entzün­dungs­hemmer einnehmen, zeigten ein niedri­geres und eben kein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit dem Corona­virus.« Zu einem ähnlichen Schluss kommen ihre Kollegen Prof. Dr. Carola Berking, Direk­torin der Hautklinik des Uni-Klinikums Erlangen, und ihr Stell­ver­treter Prof. Dr. Michael Sticherling: »Auch Patienten mit Schup­pen­flechte, einer der häufigsten chronisch-entzünd­lichen Erkran­kungen des Menschen, weisen kein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit dem neuen Corona­virus auf, wenn sie mit spezi­ellen entzün­dungs­hem­menden Medika­menten thera­piert werden.« Ähnliche Ergeb­nisse wurden auch für entzünd­liche Gelenk­er­kran­kungen wie die Rheuma­toide Arthritis und Morbus Bechterew gefunden, wie die Oberärzte Dr. Arndt Kleyer und Prof. Dr. Gerhard Krönke aus dem Bereich Rheuma­to­logie und Immuno­logie bestätigen.

Diese Ergeb­nisse haben eine große Bedeutung für Menschen mit entzünd­lichen Erkran­kungen, denn sie zeigen, dass die Weiter­führung der entzün­dungs­hem­menden Therapie in Zeiten der Corona­virus-Pandemie im Wesent­lichen unbedenklich ist und dass diese Patienten weder aufgrund ihrer Erkrankung noch aufgrund der Therapie zur Risiko­gruppe für schwere Verläufe der Infektion gehören.

Die Erlanger Corona-Studie entstand in inter­dis­zi­pli­närer Zusam­men­arbeit von Forschern des DZI sowie mit Prof. Dr. Klaus Überla und Prof. Dr. Matthias Tenbusch vom Virolo­gi­schen Institut – Klinische und Molekulare Virologie des Uni-Klinikums Erlangen. Die Studie wurde durch den Sonder­for­schungs­be­reich 1181 der Deutschen Forschungs­ge­mein­schaft, das Bundes­mi­nis­terium für Bildung und Forschung (BMBF-Projekt MASCARA) und die Schreiber-Stiftung unterstützt.

Textquelle: Dr. Susanne Langer, Friedrich-Alexander-Univer­sität Erlangen-Nürnberg

Bildquelle: Testperson am Uni-Klinikum Erlangen – ihr Blut wird anschließend auf Corona-Antikörper getestet. Foto: SIMOarts.com