Ein Schritt zu besseren Handprothesen

Handpro­these aus dem 3D-Drucker. Foto: Simon Geist­linger, Hochschule Coburg

Ein Schritt zu besseren Handprothesen

Im vergan­genen Jahr hat der Coburger Maschi­nenbau-Student Robert Hirsch eine Handpro­these im 3‑D-Druck­ver­fahren herge­stellt. Diese wurde nun vom ehema­ligen Maschi­nen­bau­stu­denten Stefan Formann einem Dauer­lauftest unter­zogen. Die Ergeb­nisse hat er in einem wissen­schaft­lichen Artikel zusammengefasst.

Mindestens 500.000 Bewegungs­zyklen sollte ein Seilzug zur Bewegung der Finger an einer 3‑D gedruckten Handpro­these mitmachen. Welches Material ist kosten­günstig, stets verfügbar und hält diesen Belas­tungen Stand? Eine wissen­schaft­liche Arbeit am Institut für Proto­typen- und Modell­technik der Hochschule Coburg unter­suchte die Lebens­dauer verschie­dener Seilzüge. Die Ergeb­nisse können gerade für den Einsatz in der dritten Welt hilfreich sein.

Additive Ferti­gungs­ver­fahren, häufig als 3‑D-Druck­ver­fahren bezeichnet, erlauben es in kurzer Zeit Bauteile mit komplexen Struk­turen, mit innen­lie­genden Hohlräumen und mit indivi­du­eller Gestaltung zu erstellen. Die ist auch mit kosten­güns­tigen 3‑D-Druckern möglich, die auf dem Fused-Layer-Modelling (FLM) Verfahren basieren. Darüber hinaus sind viele frei zugäng­liche Daten­sätze für das Drucken von Handpro­thesen online verfügbar, die sich für den Einsatz in der dritten Welt eignen. Zur Ansteuerung der Finger dieser Prothesen werden Seilzüge verwendet, die eine möglichst lange Lebens­dauer aufweisen sollten. Und zwar trotz der rauen Oberfläche, der Hohlräume und der Ausspa­rungen, in denen sie verlaufen. Stefan Formann wollte mit seinen Unter­su­chungen für unter­schied­liche Materialien die maximal mögliche Anzahl an Bewegungs­zyklen bestimmen. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf besonders gut geeignete Materialien ableiten. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass die Materialien kosten­günstig und leicht verfügbar sind.

Die Ergeb­nisse des Dauer­laufs zeigen ein sehr unter­schied­liches Verhalten der unter­suchten Materialien. Auf Platz eins landet eine geflochtene Angel­schnur aus Polyethylen. Sie ermög­licht bis zu 1,6 Mio. Bewegungs­zyklen und ist damit das einzige unter­suchte Material, das die für kommer­zielle Handpro­thesen gefor­derte Zyklenzahl von 500.000 Zyklen einhält. Die unter­suchte Drachen­schnur aus Aramid und die einfache Baumwoll­schnur erreichen 450.000 bezie­hungs­weise 400.000 Zyklen. Das liegt zwar unter der gefor­derten Marke, trotzdem wären diese Materialien prinzi­piell geeignet. Das unter­suchte Drahtseil aus Edelstahl gibt auf Grund der fehlenden Elasti­zität schon deutlich früher auf. Mit 60.000 Zyklen nimmt das Nähgarn aus Polyester den letzten Platz der unter­suchten Materialien ein. Trotzdem kann es zumindest unter den Versuchs­be­din­gungen als einfacher, kurzzei­tiger Ersatz angesehen werden.

Das Projekt wurde von Prof. Dr. Markus Stark aus der Fakultät Maschi­nenbau und Automo­bil­technik betreut. Im Rahmen von studen­ti­schen Projekten soll die Prothese nun weiter­ent­wi­ckelt werden. Zum Beispiel durch die Integration einer sensor­ba­sierten Steuerung oder die Erarbeitung und Integration einer Rückkopplung. Professor Stark hofft darüber hinaus: »Wir möchten diese Prothese zusammen mit Kolle­ginnen und Kollegen und Medizinern zur Anwendung bringen.«

Textquelle: Dr. Margareta Bögelein, Hochschule Coburg

Bildquelle: Handpro­these aus dem 3D-Drucker. Foto: Simon Geist­linger, Hochschule Coburg