Depression in der Pupille sehen

Die runde Pupille eines eines 23-jährigen Menschen. Die MPI-Wissen­schaftler konnten erstmals die Verbindung zwischen einer Pupillen-Erwei­terung als Reaktion auf eine zu erwar­tende Belohnung und dem Schwe­regrad der Depression der jewei­ligen Testperson nachweisen. Je schwerer die Symptome waren, desto weniger weit öffneten sich die Pupillen. Foto: Super­steffen, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Depression in der Pupille sehen

Können Menschen etwas gewinnen oder verlieren, so erweitert sich ihre Pupille leicht. Forscher haben heraus­ge­funden, dass diese Erwei­terung bei akut depres­siven Patienten geringer ausfällt als bei Gesunden. Je schwerer die Patienten erkrankt waren, desto weniger weitete sich sogar das Augen­innere. Diese Erkenntnis könnte langfristig zu einer fundier­teren Diagnose führen, die nicht nur auf den Aussagen der Patienten basiert, sondern biolo­gisch begründet ist. Daraus abgeleitet könnte auch die Therapie mit Medika­menten indivi­du­eller angepasst werden.

Seit Jahrzehnten versuchen Wissen­schaftler heraus­zu­finden, ob depressive Patienten Beloh­nungen weniger wertschätzen als nicht-depressive Probanden. Studi­en­teil­nehmer im Max-Planck-Institut für Psych­iatrie (MPI) absol­vierten jetzt im Magnetz­re­so­nanz­to­mo­graphen (MRT) ein einfaches Spiel, bei dem sie einen kleinen Geldbetrag gewinnen konnten. Ein klarer Anreiz, der bei Gesunden zur Erwei­terung der Pupille führt. Dabei haben die Forscher die Pupillen ihrer Studi­en­teil­nehmer extrem genau und mit extrem hohem Tempo vermessen: Mit einem spezi­ellen Versuchs­aufbau konnten sie 250 Bilder pro Sekunde aufnehmen – zum Vergleich, wir blinzeln überhaupt nur alle vier bis sechs Sekunden.

Das Ergebnis: die MPI-Wissen­schaftler konnten erstmals die Verbindung zwischen einer Pupillen-Erwei­terung als Reaktion auf eine zu erwar­tende Belohnung und dem Schwe­regrad der Depression der jewei­ligen Testperson nachweisen. Je schwerer die Symptome waren, desto weniger weit öffneten sich die Pupillen.

Die Studie zeigt, dass die Aussicht auf eine Belohnung bei schwer depres­siven Patienten nicht zur gleichen Verhal­tens­ak­ti­vierung führt wie bei Gesunden. Ihr Nerven­system kann sich selbst bei so einer positiven Erwartung weniger stark aktivieren. »Wir vermuten, dass dahinter ein physio­lo­gi­sches System steht, das die oft berichtete Antriebs­störung bei Patienten teilweise erklären kann«, sagt Studi­en­leiter Victor Spoormaker.

Die Forscher am MPI gehen davon aus, dass psych­ia­trische Erkran­kungen anders aufge­teilt werden sollten als in die bishe­rigen Diagnose-Gruppen. Maßgebend wären biolo­gische Faktoren wie die Pupil­len­er­wei­terung, die klar messbar sind. Depressive Patienten, die mit ihren Pupillen weniger stark reagieren, würden eine eigene Unter­gruppe bilden. »Dann könnten wir diese Patienten medika­mentös auch zielge­rich­teter behandeln«, so die Einschätzung von Spoor­maker. Um diesen Ansatz zu verfeinern, bedarf es noch weiterer Forschung.

Origi­nal­pu­bli­kation:

»Brain Sciences«, https://doi.org/10.3390/brainsci10120906

Weitere Infor­ma­tionen:

https://www.psych.mpg.de/2700177/news_publication_16072044_transferred?c=25056

Textquelle: Anke Schlee, Max-Planck-Institut für Psychiatrie

Bildquelle: Die runde Pupille eines eines 23-jährigen Menschen. Die MPI-Wissen­schaftler konnten erstmals die Verbindung zwischen einer Pupillen-Erwei­terung als Reaktion auf eine zu erwar­tende Belohnung und dem Schwe­regrad der Depression der jewei­ligen Testperson nachweisen. Je schwerer die Symptome waren, desto weniger weit öffneten sich die Pupillen. Foto: Super­steffen, Lizenz: CC BY-SA 3.0