Dendriten: Schutz der neuro­nalen Architektur

Dendriten: Schutz der neuro­nalen Architektur

Werden Nerven­zellen vor dem Verlust ihrer charak­te­ris­ti­schen Fortsätze, der Dendriten, geschützt, kann dies Hirnschäden nach einem Schlag­anfall reduzieren. Das haben Neuro­bio­logen der Univer­sität Heidelberg in Forschungen am Mausmodell gezeigt. Das Team unter der Leitung von Prof. Dr. Hilmar Bading unter­sucht in Zusam­men­arbeit mit Junior­pro­fes­sorin Dr. Daniela Mauceri den Schutz der neuro­nalen Archi­tektur, um damit neue Ansätze zur Behandlung neuro­de­ge­nera­tiver Erkran­kungen zu entwi­ckeln. Die aktuellen Forschungs­er­geb­nisse wurden im Fachma­gazin „Procee­dings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht.
Ein Schlag­anfall führt zur Reduktion der VEGFD-Level, dem Verlust von Dendriten, Hirnschäden und Einschrän­kungen der motori­schen Funktionen. Wie Forschungen am Mausmodell gezeigt haben, können VEGFD-basierte Therapien den struk­tu­rellen Zerfall verhindern und so die funktio­nelle Wieder­her­stellung erleichtern. Foto: Univer­sität Heidelberg

Die Nerven­zellen des Gehirns besitzen zahlreiche bäumchen­artig verzweigte Fortsätze, die Dendriten, mit denen Verbin­dungen zu anderen Neuronen herge­stellt werden. Die hochkom­plexe baumartige Struktur von Neuronen ist eine wichtige Voraus­setzung für ihre Fähigkeit, Verbin­dungen mit anderen Nerven­zellen herzu­stellen, um damit das normale Funktio­nieren des Gehirns zu ermög­lichen. In früheren Arbeiten haben die Heidel­berger Forscher das Signal­mo­lekül VEGFD – den „Vascular Endothelial Growth Factor D“ – als zentralen Regulator für die Aufrecht­erhaltung und Wieder­her­stellung neuro­naler Struk­turen identi­fi­ziert. „Unsere aktuellen Forschungen zeigen, dass es bei einem Schlag­anfall als Folge einer Durch­blu­tungs­störung im Gehirn zu einer Reduktion der VEGFD-Level kommt. Dadurch verlieren die Nerven­zellen Teile ihrer Dendriten. Sie verkümmern und dies führt zu Beein­träch­ti­gungen der kogni­tiven und motori­schen Fähig­keiten“, erläutert Prof. Bading.

Auf Grundlage dieser Erkennt­nisse sind die Forscher des Inter­dis­zi­pli­nären Zentrums für Neuro­wis­sen­schaften der Frage nachge­gangen, ob mit einer Wieder­her­stellung der VEGFD-Level der Abbau neuro­naler Struk­turen nach einem Schlag­anfall verhindert werden kann. Dazu appli­zierten sie rekom­bi­nantes – mithilfe biotech­no­lo­gi­scher Methoden herge­stelltes – VEGFD in das Gehirn von Mäusen, die einen Schlag­anfall erlitten hatten. „Durch die Behandlung wurden die dendri­ti­schen Bäume erfolg­reich erhalten und, was wichtig ist, der Hirnschaden reduziert. Zudem erholten sich die motori­schen Fähig­keiten schneller“, sagt Prof. Mauceri. In einem zweiten Schritt verab­reichten die Forscher VEGFD in modifi­zierter Form als Nasen­tropfen, um die Behandlung zu verein­fachen. Sie erzielten die gleichen Ergeb­nisse mit diesem sogenannten Peptid­mime­tikum, einer verein­fachten aber trotzdem biolo­gisch wirksamen Version von VEGFD, das in Zusam­men­arbeit mit Prof. Dr. Christian Klein vom Institut für Pharmazie und Molekulare Biotech­no­logie der Univer­sität Heidelberg entwi­ckelt wurde.

Von ihren Forschungs­er­geb­nissen zum Schutz der neuro­nalen Archi­tektur erhoffen sich die Wissen­schaftler langfristig neue Ansätze zur Behandlung von Schlag­an­fällen. „Insbe­sondere das Prinzip der nasalen Verab­rei­chung wäre eine sichere und einfach zu handha­bende Inter­ven­ti­ons­mög­lichkeit“, so Prof. Bading. Die Heidel­berger Wissen­schaftler arbeiten jetzt daran, diesen im Mausmodell erprobten Behand­lungs­ansatz für eine mögliche klinische Anwendung weiterzuentwickeln.

Origi­nal­pu­bli­kation: D. Mauceri, B. Buchthal, T.J. Hemstedt, U. Weiss, C.D. Klein, H. Bading: Nasally delivered VEGFD mimetics mitigate stroke-induced dendrite loss and brain damage. In: Procee­dings of the National Academy of Sciences (PNAS), published online 30 March 2020, doi: 10.1073/pnas.2001563117

Textquelle: Marietta Fuhrmann-Koch, Univer­sität Heidelberg

Bildquelle: (oben) Dreidi­men­sionale chemische Struktur des VEGFD-basierten Thera­peu­tikums. Foto: Univer­sität Heidelberg