Darmkrebs: Höhere Bereit­schaft für Test per Post

Darmkrebs: Höhere Bereit­schaft für Test per Post

Gesetzlich kranken­ver­si­cherte Männer und Frauen haben ab dem Alter von 50 Jahren Anspruch auf einen kosten­losen immuno­lo­gi­schen Stuhltest zur Darmkrebs­früh­erkennung. Bislang nutzen nur Wenige dieses Angebot. Jetzt zeigt eine Studie, die Wissen­schaftler vom Deutschen Krebs­for­schungs­zen­trums (DKFZ) gemeinsam mit der AOK Baden-Württemberg, dem Hausärz­te­verband und MEDI Baden-Württemberg durch­ge­führt haben: Die Versi­cherten nehmen das Angebot dreimal so oft an, wenn sie den Test per Post erhalten und zurück­schicken können.

Darmkrebs zählt weltweit zu den häufigsten Krebs­er­kran­kungen. Allein in Deutschland erkranken jährlich knapp 60.000 Männer und Frauen an Krebs des Dickdarms oder des Enddarms – rund 25.000 Erkrankte versterben an ihrem Krebs­leiden. Dabei ließen sich viele dieser Darmkrebs­er­kran­kungen verhindern oder zumindest frühzeitig erkennen und behandeln, wenn mehr Menschen die Früherken­nungs­an­gebote nutzen würden. Ein wichtiger Bestandteil des Früherken­nungs­an­gebots ist der immuno­lo­gische Test, mit dem Stuhl­proben auf nicht sichtbare Blutspuren unter­sucht werden. Diese können auf Darmpo­lypen, also Vorstufen von Darmkrebs, oder auf eine bereits bestehende Darmkrebs­er­krankung hinweisen. Gesetzlich Kranken­ver­si­cherte haben im Alter von 50 bis 54 Jahren jährlichen Anspruch auf den Test, ab einem Alter von 55 jedes zweite Jahr. Ist das Ergebnis eines Stuhl­tests auffällig, wird der Befund durch eine Darmspie­gelung abgeklärt. Alter­nativ können Männer ab 50 und Frauen ab 55 Jahren auch eine Vorsorge-Darmspie­gelung ohne vorhe­rigen Stuhltest durchführen.

„Bislang haben in Deutschland pro Jahr aller­dings nur rund zehn Prozent der Teilnah­me­be­rech­tigten den Stuhltest genutzt“, sagt Hermann Brenner vom Deutschen Krebs­for­schungs­zentrum (DKFZ). „Das sind viel zu wenige und Deutschland hinkt hier im Vergleich zu anderen europäi­schen Ländern deutlich hinterher.“ Ein großer Unter­schied zu den Ländern mit höherer Teilneh­mer­quote am Stuhltest: In Deutschland ist die Durch­führung umständlich. „Man muss den Test in der Arztpraxis besorgen, zu Hause durch­führen, wieder in der Praxis abgeben und schließlich bei einem erneuten Arzttermin das Ergebnis abfragen“, so Brenner. „Das sind zu viele Hürden, um eine breite Nutzung des Angebots zu erreichen.“

Mit der Studie wurde deshalb unter­sucht, ob sich durch ein niedrig­schwel­liges Bereit­stellen des Tests die Nutzungsrate erhöhen lässt. Dazu wurden 17.532 Versi­cherte im Alter von 50 bis 54 Jahren nach dem Zufalls­prinzip in drei Gruppen eingeteilt.

Einge­laden wurden ausschließlich Personen, die in den Jahren zuvor keine Darmspie­gelung beansprucht hatten, nicht an Krebs erkrankt waren und am AOK-Hausarzt-Programm teilnahmen. Alle drei Gruppen erhielten ein Einla­dungs­schreiben zur Darmkrebs­früh­erkennung. Die Teilnehmer in den beiden Inter­ven­ti­ons­gruppen erhielten mit dem Einla­dungs­schreiben entweder mehrere leicht durch­führbare Bestell­op­tionen (per Internet, E‑Mail, Fax oder Post) für den Test bzw. unmit­telbar den Test ohne vorherige Bestellung, den sie dann kostenfrei per Post zurück­senden konnten. Personen der Kontroll­gruppe erhielten lediglich das Einladungsschreiben.

Das deutliche Ergebnis: In der Gruppe, die nur das Einla­dungs­schreiben erhalten hatte, lag die Teilnah­merate wie bisher bei zehn Prozent. In der Gruppe, die mit dem Einla­dungs­schreiben auch gleich den Test erhielt, lag die Teilnah­merate innerhalb eines Jahres bei fast 30 Prozent. Bei den Studi­en­teil­nehmern, die mit dem Schreiben mehrere Bestell­op­tionen erhalten hatten, war der Effekt annähernd gleich groß. Ein Erinne­rungs­schreiben steigerte die Teilnah­merate zusätzlich: Bei Frauen in den Inter­ven­ti­ons­gruppen (beigefügter Test oder Bestell­option) erhöhte sich die Teilnahme dadurch auf fast 40 Prozent. Bei Männern lag die Teilneh­merrate in allen drei Gruppen fast 10 Prozent­punkte niedriger.

Zwei Drittel der Studi­en­teil­nehmer, die einen auffäl­ligen Testbefund hatten, ließen diesen anschließend durch eine Koloskopie abklären. Bei über 40 Prozent dieser Teilnehmer spürten Ärzte frühe Darmkrebs­vor­stufen auf, bei über 20 Prozent entdeckten sie sogar fortge­schrittene Verän­de­rungen – die im Zuge der Darmspie­gelung gleich entfernt werden konnten. „Das unter­streicht den hohen Stellenwert, den der immuno­lo­gische Stuhltest für die Früherkennung von Darmkrebs hat“, sagt Brenner und betont: „Natürlich ist es unerlässlich, einen positiven Test dann auch auf jeden Fall mit einer Darmspie­gelung abzuklären.“

Für Brenner ist diese Erkenntnis ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Wir haben gezeigt, dass mit dem erleich­terten Zugang die Nutzung der Darmkrebs­früh­erkennung in der Alters­gruppe von 50 bis 54 Jahren erheblich verbessert werden kann“, sagt der DKFZ-Forscher.

Origi­nal­pu­bli­kation: Laura Fiona Gruner, Michael Hoffmeister, Leopold Ludwig, Stefan Meny, Hermann Brenner: Effekte verschie­dener Einla­dungs­mo­delle auf die Inanspruch­nahme immuno­lo­gi­scher Tests auf Blut im Stuhl: Ergeb­nisse einer rando­mi­sierten kontrol­lierten Studie. Deutsches Ärzte­blatt, Heft 25/2020; 19. Juni 2020

Textquelle: Dr. Sibylle Kohlstädt, Deutsches Krebsforschungszentrum

Bildquelle: DKFZ Haupt­ge­bäude, Foto: Tobias Schwerdt