Corona: Jenaer entwi­ckeln Antikör­pertest mit

Corona: Jenaer entwi­ckeln Antikör­pertest mit

Ein inter­na­tio­nales Forscherteam unter Betei­ligung des Jenaer Leibniz-Instituts für Photo­nische Techno­logien hat einen Antikörper-Schnelltest auf das neue Corona­virus entwi­ckelt. Er zeigt anhand einer Blutprobe innerhalb von zehn Minuten an, ob eine Person akut mit dem Virus SARS-CoV‑2 infiziert oder bereits immun dagegen ist.

Der Test wird von der Diagnostik-Firma Senova in Weimar herge­stellt und ist bereits auf dem Markt. Antikör­per­tests helfen zu erfahren, wann sich eine Herden­im­mu­nität einstellt und bieten einen Vorteil für medizi­ni­sches Personal und Berufs­gruppen mit viel Kontakt zu Menschen: Wer immun gegen das Virus ist, könnte arbeiten, ohne andere anzustecken oder sich zu gefährden.

Mit dem Schnelltest lässt sich rasch und kosten­günstig feststellen, ob eine Person die Krankheit bereits überstanden und Antikörper gegen das Virus Sars-CoV‑2 gebildet hat. Der Test funktio­niert so unkom­pli­ziert wie ein Schwan­ger­schaftstest. Ein Tropfen Blut aus der Finger­spitze genügt und nach etwa zehn Minuten zeigen Striche auf dem Teststreifen an, ob einer von zwei Typen von Antikörpern gefunden wurde. Die IgM-Antikörper finden sich bereits wenige Tage nach der Infektion im Blut, die IgG-Antikörper bilden sich erst später im Infek­ti­ons­verlauf. Sie bleiben meist viele Monate nachweisbar und zeigen eine bestehende Immunität an.

„Antikör­per­tests liefern wichtige Infor­ma­tionen zum Verständnis und zur Eindämmung der Corona-Pandemie“, erläutert der Bioche­miker Prof. Ralf Ehricht vom Jenaer Leibniz-Institut für Photo­nische Techno­logien (Leibniz-IPHT), dessen Team an der Entwicklung, Beurteilung und Quali­täts­kon­trolle des Schnell­tests arbeitet. Wie viele Menschen bereits mit dem Corona­virus infiziert waren, ohne es zu bemerken, ist nicht bekannt. „Wir wissen nicht, wie viele jetzt schon immun sind. Deshalb wissen wir streng genommen nicht, wo in dieser Krise wir stehen“, betont Ehricht, der am Leibniz-IPHT und der Friedrich-Schiller-Univer­sität Jena neue Multi­pa­ra­me­ter­ver­fahren für die Diagnose und Epide­mio­logie von Infek­ti­ons­krank­heiten erforscht. „Das Virus ist hochan­ste­ckend, es gibt aktuell keine verfügbare Impfung dagegen und wenig thera­peu­tische Ansätze. Das bedeutet, dass die Ausbreitung erst dann zum Still­stand kommt, wenn sich, nach derzei­tigem Kennt­nis­stand, etwa 70 Prozent der Bevöl­kerung infiziert haben.“

Entlastung für Pflege­kräfte und medizi­ni­sches Personal

Anders als die PCR-Tests (Polymerase-Ketten­re­aktion), die die RNS — das Erbma­terial — des Virus aus einem Rachen­ab­strich und damit die akute Infektion direkt nachweisen, zielen Antikör­per­tests darauf ab, die Immun­antwort des Wirtes zu bestimmen. Umfang­reich einge­setzt, können sie die Dunkel­ziffer bereits erfolgter Infek­tionen aufdecken. „Wir müssen flächen­de­ckend Antikör­per­tests einführen, um zu lernen, wer tatsächlich immun ist“, bestätigt Prof. Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhe­sio­logie und Inten­siv­me­dizin am Univer­si­täts­kli­nikum Jena und Vorstands­mit­glied im Forschungs­campus Infec­to­Gno­stics, in dessen Rahmen der Schnelltest entwi­ckelt wurde. „Um die Herden­im­mu­nität zu nutzen, müssen wir diese auch messen. Dazu brauchen wir die Schnell­tests.“ Mit den serolo­gi­schen Unter­su­chungen auf Antikörper ließe sich präziser abschätzen, welcher Prozentsatz infizierter Menschen keine oder nur leichte Symptome entwi­ckelt hat – und somit erfahren, an welchem Punkt der Infek­ti­ons­welle wir stehen und wann sich die sogenannte Herden­im­mu­nität einstellen könnte. Eine Herden­im­mu­nität könnten theore­tisch auch kleiner gefassten Gemein­schaften erreichen, erläutert Ralf Ehricht, etwa Kliniken oder Altenheime.

Einen großen Vorteil würden Antikör­per­tests für Pflege­kräfte und Ärztinnen und Ärzte bedeuten, denn sie könnten ihr Risiko für eine Infektion mit dem Corona­virus besser einschätzen. Wer Sars-CoV‑2 erfolg­reich überstanden und Antikörper ausge­bildet hat, könnte Erkrankte pflegen, ohne selbst anste­ckend oder gefährdet zu sein. Auch für Angehörige anderer Berufs­gruppen mit viel Kontakt zu Menschen — etwa an der Kasse, im öffent­lichen Nahverkehr oder bei der Polizei — wäre das Wissen um eine Immunität sehr hilfreich. Ob die Antikörper eine dauer­hafte Immunität anzeigen oder diese nur vorüber­gehend ist, wissen Forschende derzeit noch nicht.

Schnelle Lösung dank enger Zusammenarbeit

Zehntau­sende der Antikörper-Schnell­tests hat die Weimarer Diagnostik-Firma Senova bereits für die Auslie­ferung an den nordrhein-westfä­li­schen Vertriebs­partner produ­ziert. Innerhalb von drei Monaten hat das Thüringer Team aus Forschern und Entwicklern mit einer chine­si­schen Firma sowie dem Medizin­pro­duk­te­händler Servoprax aus Wesel nun unter Hochdruck die Tests fertig­ge­stellt und ihre Wirksamkeit bestätigt. „So schnell zu einem verfüg­baren Produkt zu kommen, ist nur möglich, wenn Partner aus Wirtschaft, Wissen­schaft und Medizin Hand in Hand zusam­men­ar­beiten, wie wir es am Standort Jena tun“, unter­streicht Ralf Ehricht. Am Infec­to­Gno­stics Forschungs­campus Jena entwi­ckeln Techno­logen aus der Industrie, klinische Anwender und akade­mische Forschungs­ein­rich­tungen markt­reife Lösungen für die Diagnostik von Infek­ti­ons­krank­heiten. Gefördert wird diese öffentlich-private Partner­schaft vom Bundes­mi­nis­terium für Bildung und Forschung (BMBF).

Textquelle: Leibniz-Institut für Photo­nische Technologien

Fotoquelle: Das Team um Prof. Ralf Ehricht vom Leibniz-IPHT arbeitet an der Entwicklung, Beurteilung und Quali­täts­kon­trolle des Antikör­per­tests. Foto: Sven Döring/ Leibniz-IPHT