Bakte­ri­engift mit heilsamer Wirkung

Der Doktorand Paul Jordan, links, und Prof. Oliver Werz, rechts, begut­achten am 08.10.2020 am Institut für Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Univer­sität Jena in Jena eine zu analy­sie­rende Probe aus mensch­lichen Immun­zellen, sogenannten Makro­phagen. Die Wissen­schaftler fanden heraus, dass ein Gift von Bakterien, das alpha-Hemolysin, in Makro­phagen die Bildung von hochak­tiven entzün­dungs­auf­lö­senden Boten­stoffe hervorruft. Da die Mengen dieser Boten­stoffe äußerst gering sind (im Pikogramm­be­reich) bedarf die Unter­su­chung einer hochspe­zia­li­sierten analy­ti­schen Methode mittels Massen­spek­tro­metrie. Foto: Jens Meyer/Universität Jena

Bakte­ri­engift mit heilsamer Wirkung

Inter­na­tio­nales Forschungsteam unter Leitung von Pharma­zeuten der Univer­sität Jena deckt moleku­laren Regula­ti­ons­me­cha­nismus auf: giftige Substanz aus Staphy­lo­coccus aureus ist nicht nur zellschä­digend, sondern stimu­liert auch die Geweberegeneration.

Norma­ler­weise gehören sie zu den harmlosen Mitbe­wohnern des mensch­lichen Körpers: Bakterien der Art Staphy­lo­coccus aureus kommen bei jedem Vierten millio­nenfach auf der Haut und den Schleim­häuten der oberen Atemwege vor, ohne dass die Personen davon etwas merken. In bestimmten Fällen jedoch können aus den harmlosen Mitbe­wohnern pathogene Keime werden, die zu Hautent­zün­dungen und Infek­tionen der Lunge oder – im schlimmsten Falle – zu einer Sepsis führen können. »Das passiert insbe­sondere dann, wenn sich die Bakterien zu stark vermehren, etwa, wenn die Immun­abwehr eines Menschen durch eine Infektion oder eine Verletzung geschwächt ist«, sagt Prof. Dr. Oliver Werz von der Friedrich-Schiller-Univer­sität Jena.

Der Professor für Pharma­zeu­tische Chemie und sein Team haben die moleku­laren Abwehr­me­cha­nismen des mensch­lichen Immun­systems im Kampf gegen solche Staphy­lo­coccus aureus-Infek­tionen unter­sucht und dabei eine überra­schende Entde­ckung gemacht. Wie das Forschungsteam in der heute erschei­nenden Ausgabe des Fachma­gazins »Cell Reports« schreibt, hat der Giftcocktail, mit dem Staphy­lo­coccus aureus befallene Zellen und Gewebe schädigt, auch positive Effekte: Bestimmte Immun­zellen werden von dem Bakte­ri­engift dazu angeregt, spezielle Boten­stoffe zu produ­zieren, die Entzün­dungen abklingen lassen und deren Heilung fördern. Dieser bislang unbekannte Mecha­nismus könnte für künftige Therapien von Hautent­zün­dungen und chroni­schen Wunden bedeutsam sein, erwartet Prof. Werz.

Pharmazie-Doktorand Paul Jordan von der Universität Jena präpariert Bakterienkulturen (Staphylococcus aureus). Foto: Jens Meyer/Uni Jena
Der Pharmazeut und Doktorand Paul Jordan präpa­riert am 08.10.2020 Bakte­ri­en­kul­turen (Staphy­lo­coccus aureus), die das für den Menschen giftige alpha-Hemolysin bilden, am Institut für Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Univer­sität Jena in Jena. Werden spezielle Immun­zellen (regene­rie­rende Makro­phagen) mit diesem Gift behandelt, produ­zieren sie inter­es­san­ter­weise entzün­dungs­auf­lö­sende Boten­stoffe, die zum Abklingen von Entzün­dungen führen und geschä­digtes Gewebe regene­rieren. Foto: Jens Meyer/Universität Jena
Immun­zellen produ­zieren entzün­dungs­auf­lö­sende Botenstoffe

In ihrer aktuellen Studie haben die Jenaer Forschenden von Univer­sität, Univer­si­täts­kli­nikum und Leibniz-Institut für Alterns­for­schung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) gemeinsam mit Kolle­ginnen und Kollegen der Harvard Medical School und der Univer­sität Neapel insbe­sondere das Bakte­ri­engift »α‑Hemolysin« unter die Lupe genommen und dessen Wirkung auf sogenannte M2-Makro­phagen unter­sucht. M2-Makro­phagen sind Immun­zellen, die im späteren Verlauf einer Entzün­dungs­re­aktion dafür sorgen, dass abgetötete Bakterien und geschä­digte Zellbe­stand­teile abtrans­por­tiert werden und sich das Gewebe regene­riert. »Sie sind also so eine Art zelluläre Müllabfuhr«, beschreibt Paul Jordan, Doktorand in Werz‘ Team und Erstautor der Publi­kation die Funktion dieser Zellen.

Wie sich zeigte, bindet α‑Hemolysin an bestimmte Rezep­tor­pro­teine auf der Oberfläche von M2-Makro­phagen und löst damit in den Zellen die Produktion entzün­dungs­auf­lö­sender Boten­stoffe aus, die dann im weiteren Verlauf die Entzündung abklingen lassen. In der vorge­stellten Unter­su­chung konnten die Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler außerdem zeigen, dass diese Boten­stoffe in einem Tiermodell die Gewebe­re­ge­ne­ration fördern. Zu den entzün­dungs­auf­lö­senden Boten­stoffen gehören u. a. sogenannte Resolvine, Maresine und Protektine, die aus Omega-3-Fettsäuren gebildet werden.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Jordan PM et al. Staphy­lo­coccus aureus-derived α‑hemolysin evokes generation of specia­lized pro-resolving mediators promoting inflamm­ation resolution, Cell Reports 33 (2020), https://doi.org/10.1016/j.celrep.2020.108247

Textquelle: Dr. Ute Schön­felder, Friedrich-Schiller-Univer­sität Jena

Bildquelle: (oben) Studi­en­leiter Prof. Dr. Oliver Werz (r.) und Erstautor Paul Jordan von der Univer­sität Jena begut­achten eine Probe aus mensch­lichen Immun­zellen. Foto: Jens Meyer/Uni Jena

Bildquelle: (unten) Pharmazie-Doktorand Paul Jordan von der Univer­sität Jena präpa­riert Bakte­ri­en­kul­turen (Staphy­lo­coccus aureus). Foto: Jens Meyer/Uni Jena